Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

gen. Doch die Strafe blieb nicht aus. Von diesem
gotteslästerlichen Musikfeste schreibt sich unser Elend
her. Deine Mutter hatte die sündhafte Eva vorstellen
müssen, so erzählte sie mir's, als sie zurückkehrten.
Mit zu ziehen hatte ich mich redlich gehütet. Ja, die
Eva hat das unschuldige Mädchen vor Aller Augen
machen müssen und gesungen hat sie Liebeslieder mit
Adam, der niemand anders gewesen sein soll, als ein
Opernsänger aus der Hauptstadt. Ob die Schlange
auch vorgekommen sei, das hab' ich niemalen aus der
Antoinette ihren Erzählungen herausbringen können.
An anderem Vieh hat es nicht gefehlt. Zum Glück
haben die Sänger wenigstens ihre Kleidung nicht ab-
legen dürfen. Sonst war Alles wie beim Sündenfall.
Ach, mein lieber Anton, hatte Dein Großvater bisher
mit seiner Nette Abgötterei getrieben, jetzt fand er gar
keine Grenzen mehr. Die Lobsprüche, die sie von Hoch
und Niedrig erhalten, hatte er eingesackt und sich völ-
lig damit ausgepolstert, daß er selber aufgeblähet war
wie ein welscher Hahn, den die Köchin mit gebrate-
nen Kastanien stopfte. Einen güldenen Ring ließ er
ihr machen für drei schwere Dukaten und auf einem
Plättchen stand eingegraben: "Eva." Den Ring
mußte sie tragen, als ob sie eine Dame wäre. Das

gen. Doch die Strafe blieb nicht aus. Von dieſem
gotteslaͤſterlichen Muſikfeſte ſchreibt ſich unſer Elend
her. Deine Mutter hatte die ſuͤndhafte Eva vorſtellen
muͤſſen, ſo erzaͤhlte ſie mir’s, als ſie zuruͤckkehrten.
Mit zu ziehen hatte ich mich redlich gehuͤtet. Ja, die
Eva hat das unſchuldige Maͤdchen vor Aller Augen
machen muͤſſen und geſungen hat ſie Liebeslieder mit
Adam, der niemand anders geweſen ſein ſoll, als ein
Opernſaͤnger aus der Hauptſtadt. Ob die Schlange
auch vorgekommen ſei, das hab’ ich niemalen aus der
Antoinette ihren Erzaͤhlungen herausbringen koͤnnen.
An anderem Vieh hat es nicht gefehlt. Zum Gluͤck
haben die Saͤnger wenigſtens ihre Kleidung nicht ab-
legen duͤrfen. Sonſt war Alles wie beim Suͤndenfall.
Ach, mein lieber Anton, hatte Dein Großvater bisher
mit ſeiner Nette Abgoͤtterei getrieben, jetzt fand er gar
keine Grenzen mehr. Die Lobſpruͤche, die ſie von Hoch
und Niedrig erhalten, hatte er eingeſackt und ſich voͤl-
lig damit ausgepolſtert, daß er ſelber aufgeblaͤhet war
wie ein welſcher Hahn, den die Koͤchin mit gebrate-
nen Kaſtanien ſtopfte. Einen guͤldenen Ring ließ er
ihr machen fuͤr drei ſchwere Dukaten und auf einem
Plaͤttchen ſtand eingegraben: „Eva.“ Den Ring
mußte ſie tragen, als ob ſie eine Dame waͤre. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="11"/>
gen. Doch die Strafe blieb nicht aus. Von die&#x017F;em<lb/>
gottesla&#x0364;&#x017F;terlichen Mu&#x017F;ikfe&#x017F;te &#x017F;chreibt &#x017F;ich un&#x017F;er Elend<lb/>
her. Deine Mutter hatte die &#x017F;u&#x0364;ndhafte Eva vor&#x017F;tellen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o erza&#x0364;hlte &#x017F;ie mir&#x2019;s, als &#x017F;ie zuru&#x0364;ckkehrten.<lb/>
Mit zu ziehen hatte ich mich redlich gehu&#x0364;tet. Ja, die<lb/>
Eva hat das un&#x017F;chuldige Ma&#x0364;dchen vor Aller Augen<lb/>
machen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und ge&#x017F;ungen hat &#x017F;ie Liebeslieder mit<lb/>
Adam, der niemand anders gewe&#x017F;en &#x017F;ein &#x017F;oll, als ein<lb/>
Opern&#x017F;a&#x0364;nger aus der Haupt&#x017F;tadt. Ob die Schlange<lb/>
auch vorgekommen &#x017F;ei, das hab&#x2019; ich niemalen aus der<lb/>
Antoinette ihren Erza&#x0364;hlungen herausbringen ko&#x0364;nnen.<lb/>
An anderem Vieh hat es nicht gefehlt. Zum Glu&#x0364;ck<lb/>
haben die Sa&#x0364;nger wenig&#x017F;tens ihre Kleidung nicht ab-<lb/>
legen du&#x0364;rfen. Son&#x017F;t war Alles wie beim Su&#x0364;ndenfall.<lb/>
Ach, mein lieber Anton, hatte Dein Großvater bisher<lb/>
mit &#x017F;einer Nette Abgo&#x0364;tterei getrieben, jetzt fand er gar<lb/>
keine Grenzen mehr. Die Lob&#x017F;pru&#x0364;che, die &#x017F;ie von Hoch<lb/>
und Niedrig erhalten, hatte er einge&#x017F;ackt und &#x017F;ich vo&#x0364;l-<lb/>
lig damit ausgepol&#x017F;tert, daß er &#x017F;elber aufgebla&#x0364;het war<lb/>
wie ein wel&#x017F;cher Hahn, den die Ko&#x0364;chin mit gebrate-<lb/>
nen Ka&#x017F;tanien &#x017F;topfte. Einen gu&#x0364;ldenen Ring ließ er<lb/>
ihr machen fu&#x0364;r drei &#x017F;chwere Dukaten und auf einem<lb/>
Pla&#x0364;ttchen &#x017F;tand eingegraben: &#x201E;Eva.&#x201C; Den Ring<lb/>
mußte &#x017F;ie tragen, als ob &#x017F;ie eine Dame wa&#x0364;re. Das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0027] gen. Doch die Strafe blieb nicht aus. Von dieſem gotteslaͤſterlichen Muſikfeſte ſchreibt ſich unſer Elend her. Deine Mutter hatte die ſuͤndhafte Eva vorſtellen muͤſſen, ſo erzaͤhlte ſie mir’s, als ſie zuruͤckkehrten. Mit zu ziehen hatte ich mich redlich gehuͤtet. Ja, die Eva hat das unſchuldige Maͤdchen vor Aller Augen machen muͤſſen und geſungen hat ſie Liebeslieder mit Adam, der niemand anders geweſen ſein ſoll, als ein Opernſaͤnger aus der Hauptſtadt. Ob die Schlange auch vorgekommen ſei, das hab’ ich niemalen aus der Antoinette ihren Erzaͤhlungen herausbringen koͤnnen. An anderem Vieh hat es nicht gefehlt. Zum Gluͤck haben die Saͤnger wenigſtens ihre Kleidung nicht ab- legen duͤrfen. Sonſt war Alles wie beim Suͤndenfall. Ach, mein lieber Anton, hatte Dein Großvater bisher mit ſeiner Nette Abgoͤtterei getrieben, jetzt fand er gar keine Grenzen mehr. Die Lobſpruͤche, die ſie von Hoch und Niedrig erhalten, hatte er eingeſackt und ſich voͤl- lig damit ausgepolſtert, daß er ſelber aufgeblaͤhet war wie ein welſcher Hahn, den die Koͤchin mit gebrate- nen Kaſtanien ſtopfte. Einen guͤldenen Ring ließ er ihr machen fuͤr drei ſchwere Dukaten und auf einem Plaͤttchen ſtand eingegraben: „Eva.“ Den Ring mußte ſie tragen, als ob ſie eine Dame waͤre. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/27
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/27>, abgerufen am 21.11.2024.