da ging es einem wohl durch alle Gliedmaßen. Jch fühlte es eben so warm, wie Dein Großvater; nur hätt' er's ihr nicht immer sagen sollen. Da wurde denn einmal ein großes Fest veranstaltet in G., was sie ein Musikfest nannten. Dazu haben sie von Weit und Breit aus dem ganzen Lande zusammenberufen, was streichen konnte und blasen und singen und schreien und Pauken schlagen. Wie die Ameisen sind die Musikusse über die Berge gekrochen, durch die Thäler, aus allen Winkeln und Ecken, daß es nur so wimmelte! Natürlich war mein Mann auch dabei mit seiner Geige -- und ohne Nette wär's ja durch- aus nicht gegangen. Sie führten auf, wie die Welt geschaffen worden ist. Die Schöpfung nannten sie's. Das kam mir schon sündhaft vor. Noch sündhafter hielt ich es, daß Dein Großvater als christlicher Schulmann, der er doch einmal sein sollte, sich nicht schämte, so viel Aufhebens zu machen von der Heid'- nischen Musik. Denn heid'nisch war sie. Das hab' ich ihn und seine Musikfreunde sagen hören. Ein Heide, sagten sie, hätte das eben erst in der großen Wienstadt geschrieben. Da entblödeten sie sich nicht, in Einem weg von göttlichen heidnischen Melodieen zu sprechen. Schrecklich! Aber ich mußte wohl schwei-
da ging es einem wohl durch alle Gliedmaßen. Jch fuͤhlte es eben ſo warm, wie Dein Großvater; nur haͤtt’ er’s ihr nicht immer ſagen ſollen. Da wurde denn einmal ein großes Feſt veranſtaltet in G., was ſie ein Muſikfeſt nannten. Dazu haben ſie von Weit und Breit aus dem ganzen Lande zuſammenberufen, was ſtreichen konnte und blaſen und ſingen und ſchreien und Pauken ſchlagen. Wie die Ameiſen ſind die Muſikuſſe uͤber die Berge gekrochen, durch die Thaͤler, aus allen Winkeln und Ecken, daß es nur ſo wimmelte! Natuͤrlich war mein Mann auch dabei mit ſeiner Geige — und ohne Nette waͤr’s ja durch- aus nicht gegangen. Sie fuͤhrten auf, wie die Welt geſchaffen worden iſt. Die Schoͤpfung nannten ſie’s. Das kam mir ſchon ſuͤndhaft vor. Noch ſuͤndhafter hielt ich es, daß Dein Großvater als chriſtlicher Schulmann, der er doch einmal ſein ſollte, ſich nicht ſchaͤmte, ſo viel Aufhebens zu machen von der Heid’- niſchen Muſik. Denn heid’niſch war ſie. Das hab’ ich ihn und ſeine Muſikfreunde ſagen hoͤren. Ein Heide, ſagten ſie, haͤtte das eben erſt in der großen Wienſtadt geſchrieben. Da entbloͤdeten ſie ſich nicht, in Einem weg von goͤttlichen heidniſchen Melodieen zu ſprechen. Schrecklich! Aber ich mußte wohl ſchwei-
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da ging es einem wohl durch alle Gliedmaßen. Jch
fuͤhlte es eben ſo warm, wie Dein Großvater; nur
haͤtt’ er’s ihr nicht immer ſagen ſollen. Da wurde
denn einmal ein großes Feſt veranſtaltet in G., was
ſie ein Muſikfeſt nannten. Dazu haben ſie von Weit
und Breit aus dem ganzen Lande zuſammenberufen,
was ſtreichen konnte und blaſen und ſingen und
ſchreien und Pauken ſchlagen. Wie die Ameiſen ſind
die Muſikuſſe uͤber die Berge gekrochen, durch die
Thaͤler, aus allen Winkeln und Ecken, daß es nur ſo
wimmelte! Natuͤrlich war mein Mann auch dabei
mit ſeiner Geige — und ohne Nette waͤr’s ja durch-
aus nicht gegangen. Sie fuͤhrten auf, wie die Welt
geſchaffen worden iſt. Die Schoͤpfung nannten ſie’s.
Das kam mir ſchon ſuͤndhaft vor. Noch ſuͤndhafter
hielt ich es, daß Dein Großvater als chriſtlicher
Schulmann, der er doch einmal ſein ſollte, ſich nicht
ſchaͤmte, ſo viel Aufhebens zu machen von der Heid’-
niſchen Muſik. Denn heid’niſch war ſie. Das hab’
ich ihn und ſeine Muſikfreunde ſagen hoͤren. Ein
Heide, ſagten ſie, haͤtte das eben erſt in der großen
Wienſtadt geſchrieben. Da entbloͤdeten ſie ſich nicht,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/26>, abgerufen am 23.11.2024.
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