er, wie vom Blitze geschlagen. Regelloser konnten keines Landstreichers Papiere erfunden werden, denn er besaß auch nicht ein schmales Streifchen, welches nur dem Abschnitzel eines Ausweises ähnlich gesehen hätte.
Nach seinem Namen befragt und seinem Stande, verhehlte er nicht, daß er Körbe geflochten habe und sich Anton nenne. Uebrigens sei er ein Waisenkind.
Anton? Anton? wiederholte Madame Simonelli, mit jenem Nachdruck, der bezeichnet, daß man Licht erblickt. "Das ist auf Deutsch so viel wie Antoine? Pierre, sieh' doch nach im großen Portefeuille, wo die Affichen liegen. Es müssen sich dort eure Pässe vorfinden. Antoine ist ohne Paß davon gelaufen; er weiß, daß man auf dem Wege zur Galeere dergleichen nicht braucht."
Antoine's Paß wurde gebracht. Die Personal- Beschreibung traf nicht sehr genau zu, aber Figur, Alter, Farbe der Haare kamen doch so leidlich überein.
Anton stand lange unschlüssig.
Madame Amelot warf ihm, über's französische Lesebuch, einen Blick zu, der fragen zu sollen schien: "Wie wird's denn? Jch dächte doch? und so weiter!"
Der Blick wirkte.
er, wie vom Blitze geſchlagen. Regelloſer konnten keines Landſtreichers Papiere erfunden werden, denn er beſaß auch nicht ein ſchmales Streifchen, welches nur dem Abſchnitzel eines Ausweiſes aͤhnlich geſehen haͤtte.
Nach ſeinem Namen befragt und ſeinem Stande, verhehlte er nicht, daß er Koͤrbe geflochten habe und ſich Anton nenne. Uebrigens ſei er ein Waiſenkind.
Anton? Anton? wiederholte Madame Simonelli, mit jenem Nachdruck, der bezeichnet, daß man Licht erblickt. „Das iſt auf Deutſch ſo viel wie Antoine? Pierre, ſieh’ doch nach im großen Portefeuille, wo die Affichen liegen. Es muͤſſen ſich dort eure Paͤſſe vorfinden. Antoine iſt ohne Paß davon gelaufen; er weiß, daß man auf dem Wege zur Galeere dergleichen nicht braucht.“
Antoine’s Paß wurde gebracht. Die Perſonal- Beſchreibung traf nicht ſehr genau zu, aber Figur, Alter, Farbe der Haare kamen doch ſo leidlich uͤberein.
Anton ſtand lange unſchluͤſſig.
Madame Amelot warf ihm, uͤber’s franzoͤſiſche Leſebuch, einen Blick zu, der fragen zu ſollen ſchien: „Wie wird’s denn? Jch daͤchte doch? und ſo weiter!“
Der Blick wirkte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0270"n="254"/>
er, wie vom Blitze geſchlagen. Regelloſer konnten<lb/>
keines Landſtreichers Papiere erfunden werden, denn<lb/>
er beſaß auch nicht ein ſchmales Streifchen, welches<lb/>
nur dem Abſchnitzel eines Ausweiſes aͤhnlich geſehen<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>Nach ſeinem Namen befragt und ſeinem Stande,<lb/>
verhehlte er nicht, daß er Koͤrbe geflochten habe und<lb/>ſich Anton nenne. Uebrigens ſei er ein Waiſenkind.</p><lb/><p>Anton? Anton? wiederholte Madame Simonelli,<lb/>
mit jenem Nachdruck, der bezeichnet, daß man Licht<lb/>
erblickt. „Das iſt auf Deutſch ſo viel wie Antoine?<lb/>
Pierre, ſieh’ doch nach im großen Portefeuille, wo<lb/>
die Affichen liegen. Es muͤſſen ſich dort eure Paͤſſe<lb/>
vorfinden. Antoine iſt ohne Paß davon gelaufen; er<lb/>
weiß, daß man auf dem Wege zur Galeere dergleichen<lb/>
nicht braucht.“</p><lb/><p>Antoine’s Paß wurde gebracht. Die Perſonal-<lb/>
Beſchreibung traf nicht ſehr genau zu, aber Figur,<lb/>
Alter, Farbe der Haare kamen doch ſo leidlich uͤberein.</p><lb/><p>Anton ſtand lange unſchluͤſſig.</p><lb/><p>Madame Amelot warf ihm, uͤber’s franzoͤſiſche<lb/>
Leſebuch, einen Blick zu, der fragen zu ſollen ſchien:<lb/>„Wie wird’s denn? Jch daͤchte doch? und ſo weiter!“</p><lb/><p><hirendition="#g">Der Blick wirkte.</hi></p><lb/></div></body></text></TEI>
[254/0270]
er, wie vom Blitze geſchlagen. Regelloſer konnten
keines Landſtreichers Papiere erfunden werden, denn
er beſaß auch nicht ein ſchmales Streifchen, welches
nur dem Abſchnitzel eines Ausweiſes aͤhnlich geſehen
haͤtte.
Nach ſeinem Namen befragt und ſeinem Stande,
verhehlte er nicht, daß er Koͤrbe geflochten habe und
ſich Anton nenne. Uebrigens ſei er ein Waiſenkind.
Anton? Anton? wiederholte Madame Simonelli,
mit jenem Nachdruck, der bezeichnet, daß man Licht
erblickt. „Das iſt auf Deutſch ſo viel wie Antoine?
Pierre, ſieh’ doch nach im großen Portefeuille, wo
die Affichen liegen. Es muͤſſen ſich dort eure Paͤſſe
vorfinden. Antoine iſt ohne Paß davon gelaufen; er
weiß, daß man auf dem Wege zur Galeere dergleichen
nicht braucht.“
Antoine’s Paß wurde gebracht. Die Perſonal-
Beſchreibung traf nicht ſehr genau zu, aber Figur,
Alter, Farbe der Haare kamen doch ſo leidlich uͤberein.
Anton ſtand lange unſchluͤſſig.
Madame Amelot warf ihm, uͤber’s franzoͤſiſche
Leſebuch, einen Blick zu, der fragen zu ſollen ſchien:
„Wie wird’s denn? Jch daͤchte doch? und ſo weiter!“
Der Blick wirkte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/270>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.