Wärtern solcher Thierbuden obliegt, ward Anton nicht zugemuthet. Er blieb "Bruder Redner" und machte nebenbei den oft in Anspruch genommenen, aber stets freundlich behandelten Serviteur seiner Herrin und ihrer wunderschönen Tochter, die in einer eleganten Wohnung, nicht fern der Bude, hausen. Beide freuten sich seiner Sauberkeit in Tracht, Hal- tung und Betragen. Madame Simonelli entdeckte sehr bald das ihm eigenthümliche Sprachtalent, wußte es zu wecken, zu nähren, und schon nach Ver- lauf weniger Wochen wußte Anton seinem neuen Namen Ehre zu machen und sich mit seinen Damen einigermaßen Französisch zu unterhalten. Trinkgelder gingen jetzt reichlicher ein, als sonst je. Weil er mit vornehmer Gleichgültigkeit die große Büchse schüt- telte und dabei, -- nicht ohne sich gelegentlich nach Roth- und Schwarzbart zu wenden, -- ausrief: "für die Aufwärter, wenn's beliebt?! konnte zwar Niemand daran denken, daß er für sich begehre, beeilte sich aber dennoch Jedermann, den liebenswürdigen Sammler zu erhören; sogar junge, schüchterne Mädchen erbaten sich heimlich flüsternd von den Eltern einige Silber- münzen, um sie, erröthend, in den großen Spalt werfen und in die unausfüllbare Tiefe fallen hören zu
Waͤrtern ſolcher Thierbuden obliegt, ward Anton nicht zugemuthet. Er blieb „Bruder Redner“ und machte nebenbei den oft in Anſpruch genommenen, aber ſtets freundlich behandelten Serviteur ſeiner Herrin und ihrer wunderſchoͤnen Tochter, die in einer eleganten Wohnung, nicht fern der Bude, hauſen. Beide freuten ſich ſeiner Sauberkeit in Tracht, Hal- tung und Betragen. Madame Simonelli entdeckte ſehr bald das ihm eigenthuͤmliche Sprachtalent, wußte es zu wecken, zu naͤhren, und ſchon nach Ver- lauf weniger Wochen wußte Anton ſeinem neuen Namen Ehre zu machen und ſich mit ſeinen Damen einigermaßen Franzoͤſiſch zu unterhalten. Trinkgelder gingen jetzt reichlicher ein, als ſonſt je. Weil er mit vornehmer Gleichguͤltigkeit die große Buͤchſe ſchuͤt- telte und dabei, — nicht ohne ſich gelegentlich nach Roth- und Schwarzbart zu wenden, — ausrief: „fuͤr die Aufwaͤrter, wenn’s beliebt?! konnte zwar Niemand daran denken, daß er fuͤr ſich begehre, beeilte ſich aber dennoch Jedermann, den liebenswuͤrdigen Sammler zu erhoͤren; ſogar junge, ſchuͤchterne Maͤdchen erbaten ſich heimlich fluͤſternd von den Eltern einige Silber- muͤnzen, um ſie, erroͤthend, in den großen Spalt werfen und in die unausfuͤllbare Tiefe fallen hoͤren zu
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Waͤrtern ſolcher Thierbuden obliegt, ward Anton
nicht zugemuthet. Er blieb „Bruder Redner“ und
machte nebenbei den oft in Anſpruch genommenen,
aber ſtets freundlich behandelten Serviteur ſeiner
Herrin und ihrer wunderſchoͤnen Tochter, die in einer
eleganten Wohnung, nicht fern der Bude, hauſen.
Beide freuten ſich ſeiner Sauberkeit in Tracht, Hal-
tung und Betragen. Madame Simonelli entdeckte
ſehr bald das ihm eigenthuͤmliche Sprachtalent,
wußte es zu wecken, zu naͤhren, und ſchon nach Ver-
lauf weniger Wochen wußte Anton ſeinem neuen
Namen Ehre zu machen und ſich mit ſeinen Damen
einigermaßen Franzoͤſiſch zu unterhalten. Trinkgelder
gingen jetzt reichlicher ein, als ſonſt je. Weil er mit
vornehmer Gleichguͤltigkeit die große Buͤchſe ſchuͤt-
telte und dabei, — nicht ohne ſich gelegentlich nach
Roth- und Schwarzbart zu wenden, — ausrief: „fuͤr
die Aufwaͤrter, wenn’s beliebt?! konnte zwar Niemand
daran denken, daß er fuͤr ſich begehre, beeilte ſich aber
dennoch Jedermann, den liebenswuͤrdigen Sammler
zu erhoͤren; ſogar junge, ſchuͤchterne Maͤdchen erbaten
ſich heimlich fluͤſternd von den Eltern einige Silber-
muͤnzen, um ſie, erroͤthend, in den großen Spalt
werfen und in die unausfuͤllbare Tiefe fallen hoͤren zu
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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