innigen Beziehungen zur Schnauze sicher, jetzt eben so vertraulich thut. Wobei ich eingestehen will, daß gerade an diesem Thiere mein guter, wahrheitslieben- der Anton zum frechsten Charlatan wurde; -- ohne seine Schuld freilich. Denn es war ihm als Bradi- pus ursinus, als bärenartiges Faulthier auf seinen Katalog gestellt worden. Madame Simonelli band ihm auf die Seele, die Seltenheit dieses erst "neuent- deckten und gleichsam in ihrem Auftrag erfundenen Monstre's gebührend hervorzuheben. Ja, sie ging so weit, ihm anzudeuten, er dürfe, wenn gläubige Hörer versammelt wären, wagen, es solchen als Rie- senfaulthier, oder vorsündfluthliches, fabelhaftes Mega- therium zu überantworten! Zwischen besagtem Mega- therium, -- genau betrachtet nichts anderes, als ein langnasiger bengalischer Bär, -- und unserem Anton bestand bereits das herzlichste Freundschaftsbündniß. Petz, der Jndianer, fraß für sein Leben gern Aepfel und Anton erlabte ihn mit dieser paradiesischen Frucht, wo er wußte und konnte. Welche Folgen diese Freundschaft hatte und wie lediglich durch sie ein wichtiger Wendepunkt in Anton's Leben eintreten sollte, -- das werden wir seiner Zeit erfahren.
Die beschwerlichste, schmutzige Arbeit, wie sie
Die Vagabunden. I. 17
innigen Beziehungen zur Schnauze ſicher, jetzt eben ſo vertraulich thut. Wobei ich eingeſtehen will, daß gerade an dieſem Thiere mein guter, wahrheitslieben- der Anton zum frechſten Charlatan wurde; — ohne ſeine Schuld freilich. Denn es war ihm als Bradi- pus ursinus, als baͤrenartiges Faulthier auf ſeinen Katalog geſtellt worden. Madame Simonelli band ihm auf die Seele, die Seltenheit dieſes erſt „neuent- deckten und gleichſam in ihrem Auftrag erfundenen Monstre’s gebuͤhrend hervorzuheben. Ja, ſie ging ſo weit, ihm anzudeuten, er duͤrfe, wenn glaͤubige Hoͤrer verſammelt waͤren, wagen, es ſolchen als Rie- ſenfaulthier, oder vorſuͤndfluthliches, fabelhaftes Mega- therium zu uͤberantworten! Zwiſchen beſagtem Mega- therium, — genau betrachtet nichts anderes, als ein langnaſiger bengaliſcher Baͤr, — und unſerem Anton beſtand bereits das herzlichſte Freundſchaftsbuͤndniß. Petz, der Jndianer, fraß fuͤr ſein Leben gern Aepfel und Anton erlabte ihn mit dieſer paradieſiſchen Frucht, wo er wußte und konnte. Welche Folgen dieſe Freundſchaft hatte und wie lediglich durch ſie ein wichtiger Wendepunkt in Anton’s Leben eintreten ſollte, — das werden wir ſeiner Zeit erfahren.
Die beſchwerlichſte, ſchmutzige Arbeit, wie ſie
Die Vagabunden. I. 17
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innigen Beziehungen zur Schnauze ſicher, jetzt eben
ſo vertraulich thut. Wobei ich eingeſtehen will, daß
gerade an dieſem Thiere mein guter, wahrheitslieben-
der Anton zum frechſten Charlatan wurde; — ohne
ſeine Schuld freilich. Denn es war ihm als Bradi-
pus ursinus, als baͤrenartiges Faulthier auf ſeinen
Katalog geſtellt worden. Madame Simonelli band
ihm auf die Seele, die Seltenheit dieſes erſt „neuent-
deckten und gleichſam in ihrem Auftrag erfundenen
Monstre’s gebuͤhrend hervorzuheben. Ja, ſie ging
ſo weit, ihm anzudeuten, er duͤrfe, wenn glaͤubige
Hoͤrer verſammelt waͤren, wagen, es ſolchen als Rie-
ſenfaulthier, oder vorſuͤndfluthliches, fabelhaftes Mega-
therium zu uͤberantworten! Zwiſchen beſagtem Mega-
therium, — genau betrachtet nichts anderes, als ein
langnaſiger bengaliſcher Baͤr, — und unſerem Anton
beſtand bereits das herzlichſte Freundſchaftsbuͤndniß.
Petz, der Jndianer, fraß fuͤr ſein Leben gern Aepfel
und Anton erlabte ihn mit dieſer paradieſiſchen Frucht,
wo er wußte und konnte. Welche Folgen dieſe
Freundſchaft hatte und wie lediglich durch ſie ein
wichtiger Wendepunkt in Anton’s Leben eintreten
ſollte, — das werden wir ſeiner Zeit erfahren.
Die beſchwerlichſte, ſchmutzige Arbeit, wie ſie
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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