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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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ein harmonisches Ganze verschmolzen worden. Er
lügt ein hochansehnliches Publikum, -- zum Theil
aus Polen bestehend, -- auf deutsch, doch nur mäßig
an und gleitet über fragliche, dunkle Punkte mit
bewundernswürdiger Zuversicht hinweg. Dabei flößt
er den Anwesenden Erstaunen ein durch seinen
ungezierten Ausdruck, da er nicht den Ton gewöhn-
licher Marktschreier und öffentlicher Ausrufer annimmt,
sondern vielmehr natürlich, mit wohlklingender Stimme
anmuthig redet. Auch verfehlt er nicht, mit poetischen
Andeutungen hinzuweisen auf die (durch ihn und sei-
nen Einfluß bei Madame Simonelli beliebte) neue
Anordnung in der Reihenfolge der Käfige, vermöge
welcher allerlei in die Augen springende Gegensätze
und Wirkungen erreicht worden sind. Der apathische,
von seinen Schollen träumende, hin und her schau-
kelnde, langweilige Eisbär ist zwischen einen gefleckten
Panther und einen schönfarbigen Leoparden gebracht;
über ihm windet sich in unaufhörlicher Bewegung die
schlankste ruheloseste Tigerkatze. Tiger und Hyäne
sind getrennt durch jenes gutmüthige, sanfte Un-
gethüm, dessen sehr lange Schnauze Monsieur Pier[re]
im vorigen Kapitel so vertraulich handhabte; wa[s]
Anton mit Furcht sah, was aber Antoine, sein

ein harmoniſches Ganze verſchmolzen worden. Er
luͤgt ein hochanſehnliches Publikum, — zum Theil
aus Polen beſtehend, — auf deutſch, doch nur maͤßig
an und gleitet uͤber fragliche, dunkle Punkte mit
bewundernswuͤrdiger Zuverſicht hinweg. Dabei floͤßt
er den Anweſenden Erſtaunen ein durch ſeinen
ungezierten Ausdruck, da er nicht den Ton gewoͤhn-
licher Marktſchreier und oͤffentlicher Ausrufer annimmt,
ſondern vielmehr natuͤrlich, mit wohlklingender Stimme
anmuthig redet. Auch verfehlt er nicht, mit poetiſchen
Andeutungen hinzuweiſen auf die (durch ihn und ſei-
nen Einfluß bei Madame Simonelli beliebte) neue
Anordnung in der Reihenfolge der Kaͤfige, vermoͤge
welcher allerlei in die Augen ſpringende Gegenſaͤtze
und Wirkungen erreicht worden ſind. Der apathiſche,
von ſeinen Schollen traͤumende, hin und her ſchau-
kelnde, langweilige Eisbaͤr iſt zwiſchen einen gefleckten
Panther und einen ſchoͤnfarbigen Leoparden gebracht;
uͤber ihm windet ſich in unaufhoͤrlicher Bewegung die
ſchlankſte ruheloſeſte Tigerkatze. Tiger und Hyaͤne
ſind getrennt durch jenes gutmuͤthige, ſanfte Un-
gethuͤm, deſſen ſehr lange Schnauze Monſieur Pier[re]
im vorigen Kapitel ſo vertraulich handhabte; wa[s]
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[256/0272] ein harmoniſches Ganze verſchmolzen worden. Er luͤgt ein hochanſehnliches Publikum, — zum Theil aus Polen beſtehend, — auf deutſch, doch nur maͤßig an und gleitet uͤber fragliche, dunkle Punkte mit bewundernswuͤrdiger Zuverſicht hinweg. Dabei floͤßt er den Anweſenden Erſtaunen ein durch ſeinen ungezierten Ausdruck, da er nicht den Ton gewoͤhn- licher Marktſchreier und oͤffentlicher Ausrufer annimmt, ſondern vielmehr natuͤrlich, mit wohlklingender Stimme anmuthig redet. Auch verfehlt er nicht, mit poetiſchen Andeutungen hinzuweiſen auf die (durch ihn und ſei- nen Einfluß bei Madame Simonelli beliebte) neue Anordnung in der Reihenfolge der Kaͤfige, vermoͤge welcher allerlei in die Augen ſpringende Gegenſaͤtze und Wirkungen erreicht worden ſind. Der apathiſche, von ſeinen Schollen traͤumende, hin und her ſchau- kelnde, langweilige Eisbaͤr iſt zwiſchen einen gefleckten Panther und einen ſchoͤnfarbigen Leoparden gebracht; uͤber ihm windet ſich in unaufhoͤrlicher Bewegung die ſchlankſte ruheloſeſte Tigerkatze. Tiger und Hyaͤne ſind getrennt durch jenes gutmuͤthige, ſanfte Un- gethuͤm, deſſen ſehr lange Schnauze Monſieur Pierre im vorigen Kapitel ſo vertraulich handhabte; was Anton mit Furcht ſah, was aber Antoine, ſein

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/272>, abgerufen am 24.11.2024.