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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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haben die Menschen mit ihr zu verkehren? denkt er.
Sie haben ihr Eintrittsgeld bezahlt, um die Thiere
zu betrachten, und wenn sie etwas Näheres über diese
in Erfahrung bringen wollen, -- wofür bin ich denn
da? Madame ist nicht als Menagerie-Wärter ange-
stellt. Die Zierbengel sind mir unausstehlich! -- Jm
Uebrigen war er ganz zufrieden.

Da kam einmal ein schöner Pfingstsonntag. Die
Bude war, des Gottesdienstes halber, geschlossen;
die anderen Wärter, als gute katholische Christen,
hörten ihre Messe. Anton hatte die Wache. Lieblich
drang der Festtags-Sonnenschein durch die Fugen des
hölzernen Hauses, daß von seiner Wärme durchdrun-
gen, so manches alte Brett zu leben anfing und per-
lendes Baumharz aus durchsichtigen Knoten und
Knorren schwitzte, wodurch ein aromatischer Duft
verbreitet wurde, der Anton mit heimischer Mahnung
an die Nadelholzwälder um Liebenau, an den Weg
nach dem Fuchswinkel erinnerte. Langsam ging er
den langen leeren Raum auf und ab, vorüber bei den
Käfigen der Thiere, welche üppig und faul dahin
gestreckt lagen, jedes in demjenigen Winkel seines
Kerkers, wohin ein Sonnenstrahl reichen mochte, den
der bunte glatte Pelz sehnsüchtig einsaugte, als sei er

haben die Menſchen mit ihr zu verkehren? denkt er.
Sie haben ihr Eintrittsgeld bezahlt, um die Thiere
zu betrachten, und wenn ſie etwas Naͤheres über dieſe
in Erfahrung bringen wollen, — wofuͤr bin ich denn
da? Madame iſt nicht als Menagerie-Waͤrter ange-
ſtellt. Die Zierbengel ſind mir unausſtehlich! — Jm
Uebrigen war er ganz zufrieden.

Da kam einmal ein ſchoͤner Pfingſtſonntag. Die
Bude war, des Gottesdienſtes halber, geſchloſſen;
die anderen Waͤrter, als gute katholiſche Chriſten,
hoͤrten ihre Meſſe. Anton hatte die Wache. Lieblich
drang der Feſttags-Sonnenſchein durch die Fugen des
hoͤlzernen Hauſes, daß von ſeiner Waͤrme durchdrun-
gen, ſo manches alte Brett zu leben anfing und per-
lendes Baumharz aus durchſichtigen Knoten und
Knorren ſchwitzte, wodurch ein aromatiſcher Duft
verbreitet wurde, der Anton mit heimiſcher Mahnung
an die Nadelholzwaͤlder um Liebenau, an den Weg
nach dem Fuchswinkel erinnerte. Langſam ging er
den langen leeren Raum auf und ab, voruͤber bei den
Kaͤfigen der Thiere, welche uͤppig und faul dahin
geſtreckt lagen, jedes in demjenigen Winkel ſeines
Kerkers, wohin ein Sonnenſtrahl reichen mochte, den
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[268/0284] haben die Menſchen mit ihr zu verkehren? denkt er. Sie haben ihr Eintrittsgeld bezahlt, um die Thiere zu betrachten, und wenn ſie etwas Naͤheres über dieſe in Erfahrung bringen wollen, — wofuͤr bin ich denn da? Madame iſt nicht als Menagerie-Waͤrter ange- ſtellt. Die Zierbengel ſind mir unausſtehlich! — Jm Uebrigen war er ganz zufrieden. Da kam einmal ein ſchoͤner Pfingſtſonntag. Die Bude war, des Gottesdienſtes halber, geſchloſſen; die anderen Waͤrter, als gute katholiſche Chriſten, hoͤrten ihre Meſſe. Anton hatte die Wache. Lieblich drang der Feſttags-Sonnenſchein durch die Fugen des hoͤlzernen Hauſes, daß von ſeiner Waͤrme durchdrun- gen, ſo manches alte Brett zu leben anfing und per- lendes Baumharz aus durchſichtigen Knoten und Knorren ſchwitzte, wodurch ein aromatiſcher Duft verbreitet wurde, der Anton mit heimiſcher Mahnung an die Nadelholzwaͤlder um Liebenau, an den Weg nach dem Fuchswinkel erinnerte. Langſam ging er den langen leeren Raum auf und ab, voruͤber bei den Kaͤfigen der Thiere, welche uͤppig und faul dahin geſtreckt lagen, jedes in demjenigen Winkel ſeines Kerkers, wohin ein Sonnenſtrahl reichen mochte, den der bunte glatte Pelz ſehnſuͤchtig einſaugte, als ſei er

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/284>, abgerufen am 24.11.2024.