leben und sie können sich ja nur freuen, wenn sie hören, wie ich mit heiler Haut davon gekommen bin? Wa- rum sollen sie's denn nicht erfahren? Die Madame bringt's doch wahrhaftig keine Schande, mich so klug und muthig beschützt zu haben? Das macht ihrem Herzen nur Ehre! Sie schien so theilnehmend, -- so erschreckt, -- so ohnmächtig, als es überstanden war; sie hätte nicht mehr Mitgefühl zeigen können für ihren ........."
Ja, da fehlte ihm das rechte Wort. Zwischen Bruder, Gatte, Liebhaber stand ihm die Auswahl frei. "Gatte" fand er nicht passend, weil sie von diesem getrennt lebte. "Bruder" war nicht vorhan- den, weil Madame Simonelli nur ein Kind besaß. "Liebhaber" --? Todesblässe, Ohnmacht, Hände- druck zogen noch einmal an ihm vorüber. Sein Monolog verlor sich in unverständliches Gemurmel. Die Augen auf jene Decken richtend, auf denen sie in Ohnmacht gelegen, bemerkte er den Apfel, den er fal- len lassen, um sie zu halten. Er hob ihn auf, trug ihn zum Käfig des Bären, steckt' ihn lächelnd und liebkosend in dessen Rüssel und sagte zärtlich: wenn das kein Jrrthum ist, was jetzt in mir vorgeht, so
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leben und ſie koͤnnen ſich ja nur freuen, wenn ſie hoͤren, wie ich mit heiler Haut davon gekommen bin? Wa- rum ſollen ſie’s denn nicht erfahren? Die Madame bringt’s doch wahrhaftig keine Schande, mich ſo klug und muthig beſchuͤtzt zu haben? Das macht ihrem Herzen nur Ehre! Sie ſchien ſo theilnehmend, — ſo erſchreckt, — ſo ohnmaͤchtig, als es uͤberſtanden war; ſie haͤtte nicht mehr Mitgefuͤhl zeigen koͤnnen fuͤr ihren .........“
Ja, da fehlte ihm das rechte Wort. Zwiſchen Bruder, Gatte, Liebhaber ſtand ihm die Auswahl frei. „Gatte“ fand er nicht paſſend, weil ſie von dieſem getrennt lebte. „Bruder“ war nicht vorhan- den, weil Madame Simonelli nur ein Kind beſaß. „Liebhaber“ —? Todesblaͤſſe, Ohnmacht, Haͤnde- druck zogen noch einmal an ihm voruͤber. Sein Monolog verlor ſich in unverſtaͤndliches Gemurmel. Die Augen auf jene Decken richtend, auf denen ſie in Ohnmacht gelegen, bemerkte er den Apfel, den er fal- len laſſen, um ſie zu halten. Er hob ihn auf, trug ihn zum Kaͤfig des Baͤren, ſteckt’ ihn laͤchelnd und liebkoſend in deſſen Ruͤſſel und ſagte zaͤrtlich: wenn das kein Jrrthum iſt, was jetzt in mir vorgeht, ſo
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leben und ſie koͤnnen ſich ja nur freuen, wenn ſie hoͤren,
wie ich mit heiler Haut davon gekommen bin? Wa-
rum ſollen ſie’s denn nicht erfahren? Die Madame
bringt’s doch wahrhaftig keine Schande, mich ſo klug
und muthig beſchuͤtzt zu haben? Das macht ihrem
Herzen nur Ehre! Sie ſchien ſo theilnehmend, — ſo
erſchreckt, — ſo ohnmaͤchtig, als es uͤberſtanden war;
ſie haͤtte nicht mehr Mitgefuͤhl zeigen koͤnnen fuͤr
ihren .........“
Ja, da fehlte ihm das rechte Wort. Zwiſchen
Bruder, Gatte, Liebhaber ſtand ihm die Auswahl
frei. „Gatte“ fand er nicht paſſend, weil ſie von
dieſem getrennt lebte. „Bruder“ war nicht vorhan-
den, weil Madame Simonelli nur ein Kind beſaß.
„Liebhaber“ —? Todesblaͤſſe, Ohnmacht, Haͤnde-
druck zogen noch einmal an ihm voruͤber. Sein
Monolog verlor ſich in unverſtaͤndliches Gemurmel.
Die Augen auf jene Decken richtend, auf denen ſie in
Ohnmacht gelegen, bemerkte er den Apfel, den er fal-
len laſſen, um ſie zu halten. Er hob ihn auf, trug
ihn zum Kaͤfig des Baͤren, ſteckt’ ihn laͤchelnd und
liebkoſend in deſſen Ruͤſſel und ſagte zaͤrtlich: wenn
das kein Jrrthum iſt, was jetzt in mir vorgeht, ſo
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/291>, abgerufen am 24.11.2024.
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