jene Stadt gegenwärtig ohne Oberhaupt. Schrecklich, aber wahr!"
Madame Simonelli fand Vergnügen an Micha- letto's Geschwätz, weshalb sie fleißig sein Glas füllte, um ihn noch gesprächiger zu machen.
Anton, anfänglich sehr geneigt, zu glauben, was er hörte, schenkte volle Aufmerksamkeit. Wie er jedoch wahrnahm, daß Laura sich langweilte und un- verhohlen gähnte, wendete sich seine Aufmerksamkeit vom lustigen Prahler auf sie und er beschäftigte sich ernstlich mit Vergleichungen, die er zwischen dem Ge- biß des beglückten Vaters und jenem der gähnenden Schönheit anstellte, wobei er sich immer tiefer im Anschauen solcher Schönheit verlor.
Weil aber Vater Sanchez nicht müde wurde in Verzückung zu gerathen über seine drei Töchter, so leitete die ofterwähnte Dreizahl unseren Liebenauer allgemach auf Onkel Nasus hin, der ja ebenfalls dreier Töchter Vater gewesen. Höchst natürlich gerieth er dabei auf Tieletunke und eh' er selbst noch wußte, daß er mit seinen Gedanken bei dieser seiner kindlichen Liebe weile, war er schon von den Vergleichungen zwischen Laura's und Michaletto's Zahnreihen, zur
jene Stadt gegenwaͤrtig ohne Oberhaupt. Schrecklich, aber wahr!“
Madame Simonelli fand Vergnuͤgen an Micha- letto’s Geſchwaͤtz, weshalb ſie fleißig ſein Glas fuͤllte, um ihn noch geſpraͤchiger zu machen.
Anton, anfaͤnglich ſehr geneigt, zu glauben, was er hoͤrte, ſchenkte volle Aufmerkſamkeit. Wie er jedoch wahrnahm, daß Laura ſich langweilte und un- verhohlen gaͤhnte, wendete ſich ſeine Aufmerkſamkeit vom luſtigen Prahler auf ſie und er beſchaͤftigte ſich ernſtlich mit Vergleichungen, die er zwiſchen dem Ge- biß des begluͤckten Vaters und jenem der gaͤhnenden Schoͤnheit anſtellte, wobei er ſich immer tiefer im Anſchauen ſolcher Schoͤnheit verlor.
Weil aber Vater Sanchez nicht muͤde wurde in Verzuͤckung zu gerathen uͤber ſeine drei Toͤchter, ſo leitete die ofterwaͤhnte Dreizahl unſeren Liebenauer allgemach auf Onkel Naſus hin, der ja ebenfalls dreier Toͤchter Vater geweſen. Hoͤchſt natuͤrlich gerieth er dabei auf Tieletunke und eh’ er ſelbſt noch wußte, daß er mit ſeinen Gedanken bei dieſer ſeiner kindlichen Liebe weile, war er ſchon von den Vergleichungen zwiſchen Laura’s und Michaletto’s Zahnreihen, zur
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jene Stadt gegenwaͤrtig ohne Oberhaupt. Schrecklich,
aber wahr!“
Madame Simonelli fand Vergnuͤgen an Micha-
letto’s Geſchwaͤtz, weshalb ſie fleißig ſein Glas fuͤllte,
um ihn noch geſpraͤchiger zu machen.
Anton, anfaͤnglich ſehr geneigt, zu glauben, was
er hoͤrte, ſchenkte volle Aufmerkſamkeit. Wie er
jedoch wahrnahm, daß Laura ſich langweilte und un-
verhohlen gaͤhnte, wendete ſich ſeine Aufmerkſamkeit
vom luſtigen Prahler auf ſie und er beſchaͤftigte ſich
ernſtlich mit Vergleichungen, die er zwiſchen dem Ge-
biß des begluͤckten Vaters und jenem der gaͤhnenden
Schoͤnheit anſtellte, wobei er ſich immer tiefer im
Anſchauen ſolcher Schoͤnheit verlor.
Weil aber Vater Sanchez nicht muͤde wurde in
Verzuͤckung zu gerathen uͤber ſeine drei Toͤchter, ſo
leitete die ofterwaͤhnte Dreizahl unſeren Liebenauer
allgemach auf Onkel Naſus hin, der ja ebenfalls dreier
Toͤchter Vater geweſen. Hoͤchſt natuͤrlich gerieth er
dabei auf Tieletunke und eh’ er ſelbſt noch wußte, daß
er mit ſeinen Gedanken bei dieſer ſeiner kindlichen
Liebe weile, war er ſchon von den Vergleichungen
zwiſchen Laura’s und Michaletto’s Zahnreihen, zur
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/298>, abgerufen am 24.11.2024.
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