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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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vorwaltete, wurde schon der Anfang ihres Honig-
mondes bedenklich. Der kleine Krieg gegen die Mut-
ter hatte sie so hübsch beschäftiget; jetzt gab es keine
Aufpasserin mehr, die jeden verbotenen Blick, jeden
inbrünstigen Seufzer überwachte. Dafür lauerte
bereits der Ueberdruß und gähnte schon bisweilen
hinter den Gardinen hervor.

Sein Glück recht aus dem Vollen zu genießen,
hatte unser Paar sich gleich in M. festgesetzt. Violi-
nenspiel, Gesang, Guitarrengeklimper, Lektüre, soll-
ten sich anderen Blumen gleich durch die Rosen der
Liebe schlingen.

Wäre nur irgend eine Störung von Außen ein-
gedrungen; hätte nur irgend ein verdrüßlicher Um-
stand sie gütigst beunruhigen wollen! -- Doch so gut
sollt' es ihnen nicht werden. Vor lauter Seligkeit
und Wonne geriethen sie schier in Verzweiflung.

Anton, zu wahr und ehrlich, um eine Zufrieden-
heit zu erheucheln die ihm fehlte und deren er seine
schöne Hälfte schon früher verlustig gesehen, öffnete
nach einigem Kampfe sein Herz:

Was soll aus mir werden, begann er eines Mor-
gens, was soll aus mir werden, Laura? Jch empfinde in
mir eine Leere, welche sogar durch Deine Gunst und

vorwaltete, wurde ſchon der Anfang ihres Honig-
mondes bedenklich. Der kleine Krieg gegen die Mut-
ter hatte ſie ſo huͤbſch beſchaͤftiget; jetzt gab es keine
Aufpaſſerin mehr, die jeden verbotenen Blick, jeden
inbruͤnſtigen Seufzer uͤberwachte. Dafuͤr lauerte
bereits der Ueberdruß und gaͤhnte ſchon bisweilen
hinter den Gardinen hervor.

Sein Gluͤck recht aus dem Vollen zu genießen,
hatte unſer Paar ſich gleich in M. feſtgeſetzt. Violi-
nenſpiel, Geſang, Guitarrengeklimper, Lektuͤre, ſoll-
ten ſich anderen Blumen gleich durch die Roſen der
Liebe ſchlingen.

Waͤre nur irgend eine Stoͤrung von Außen ein-
gedrungen; haͤtte nur irgend ein verdruͤßlicher Um-
ſtand ſie guͤtigſt beunruhigen wollen! — Doch ſo gut
ſollt’ es ihnen nicht werden. Vor lauter Seligkeit
und Wonne geriethen ſie ſchier in Verzweiflung.

Anton, zu wahr und ehrlich, um eine Zufrieden-
heit zu erheucheln die ihm fehlte und deren er ſeine
ſchoͤne Haͤlfte ſchon fruͤher verluſtig geſehen, oͤffnete
nach einigem Kampfe ſein Herz:

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gens, was ſoll aus mir werden, Laura? Jch empfinde in
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[334/0350] vorwaltete, wurde ſchon der Anfang ihres Honig- mondes bedenklich. Der kleine Krieg gegen die Mut- ter hatte ſie ſo huͤbſch beſchaͤftiget; jetzt gab es keine Aufpaſſerin mehr, die jeden verbotenen Blick, jeden inbruͤnſtigen Seufzer uͤberwachte. Dafuͤr lauerte bereits der Ueberdruß und gaͤhnte ſchon bisweilen hinter den Gardinen hervor. Sein Gluͤck recht aus dem Vollen zu genießen, hatte unſer Paar ſich gleich in M. feſtgeſetzt. Violi- nenſpiel, Geſang, Guitarrengeklimper, Lektuͤre, ſoll- ten ſich anderen Blumen gleich durch die Roſen der Liebe ſchlingen. Waͤre nur irgend eine Stoͤrung von Außen ein- gedrungen; haͤtte nur irgend ein verdruͤßlicher Um- ſtand ſie guͤtigſt beunruhigen wollen! — Doch ſo gut ſollt’ es ihnen nicht werden. Vor lauter Seligkeit und Wonne geriethen ſie ſchier in Verzweiflung. Anton, zu wahr und ehrlich, um eine Zufrieden- heit zu erheucheln die ihm fehlte und deren er ſeine ſchoͤne Haͤlfte ſchon fruͤher verluſtig geſehen, oͤffnete nach einigem Kampfe ſein Herz: Was ſoll aus mir werden, begann er eines Mor- gens, was ſoll aus mir werden, Laura? Jch empfinde in mir eine Leere, welche ſogar durch Deine Gunſt und

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/350>, abgerufen am 23.11.2024.