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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Brief. Er war nicht von ihm, nicht von Deinem
jungen Vater; von seiner Mutter war er geschrieben,
von der alten Gräfin.

Wenn das lüderliche Weibsbild, schrieb sie,
welches meinen Sohn, da er noch ein unmündiger
Knabe gewesen, listig verführet hat, nicht aufhört,
ihn und uns mit ihren frechen Briefen zu belästigen,
so werd' ich sie sammt ihren ruchlosen Eltern und
die ganze schlechte Wirthschaft in N. den Behörden
zur strengsten Bestrafung anzeigen. Für den Ban-
kert wird kein Heller mehr gezahlt, nachdem das
Gesindel meinem Sohne schon bedeutende Summen
zum Aufbau von Häusern abzuschwindeln gewußt.
Dieß ist das letzte Wort in dieser schmutzigen
Angelegenheit.

So lautete ungefähr der Frau Gräfin liebreiche
Zuschrift. Nun wurde mir augenblicklich klar, was
Deine Mutter so spät am Abend noch bei Bildhauers
gewollt. Sie, die auch nicht das geringste Geschenk
von ihrem Liebhaber angenommen, war empört über
solche ungerechte Vorwürfe; war empört über die
Habsucht der Bildhauerleute, die gewiß falsches Spiel
gespielt und in Nettens Namen dem jungen Grafen
das Geld abgebettelt hatten, womit sie sich aus ihrer

Brief. Er war nicht von ihm, nicht von Deinem
jungen Vater; von ſeiner Mutter war er geſchrieben,
von der alten Graͤfin.

Wenn das luͤderliche Weibsbild, ſchrieb ſie,
welches meinen Sohn, da er noch ein unmuͤndiger
Knabe geweſen, liſtig verfuͤhret hat, nicht aufhoͤrt,
ihn und uns mit ihren frechen Briefen zu belaͤſtigen,
ſo werd’ ich ſie ſammt ihren ruchloſen Eltern und
die ganze ſchlechte Wirthſchaft in N. den Behoͤrden
zur ſtrengſten Beſtrafung anzeigen. Fuͤr den Ban-
kert wird kein Heller mehr gezahlt, nachdem das
Geſindel meinem Sohne ſchon bedeutende Summen
zum Aufbau von Haͤuſern abzuſchwindeln gewußt.
Dieß iſt das letzte Wort in dieſer ſchmutzigen
Angelegenheit.

So lautete ungefaͤhr der Frau Graͤfin liebreiche
Zuſchrift. Nun wurde mir augenblicklich klar, was
Deine Mutter ſo ſpaͤt am Abend noch bei Bildhauers
gewollt. Sie, die auch nicht das geringſte Geſchenk
von ihrem Liebhaber angenommen, war empoͤrt uͤber
ſolche ungerechte Vorwuͤrfe; war empoͤrt uͤber die
Habſucht der Bildhauerleute, die gewiß falſches Spiel
geſpielt und in Nettens Namen dem jungen Grafen
das Geld abgebettelt hatten, womit ſie ſich aus ihrer

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[26/0042] Brief. Er war nicht von ihm, nicht von Deinem jungen Vater; von ſeiner Mutter war er geſchrieben, von der alten Graͤfin. Wenn das luͤderliche Weibsbild, ſchrieb ſie, welches meinen Sohn, da er noch ein unmuͤndiger Knabe geweſen, liſtig verfuͤhret hat, nicht aufhoͤrt, ihn und uns mit ihren frechen Briefen zu belaͤſtigen, ſo werd’ ich ſie ſammt ihren ruchloſen Eltern und die ganze ſchlechte Wirthſchaft in N. den Behoͤrden zur ſtrengſten Beſtrafung anzeigen. Fuͤr den Ban- kert wird kein Heller mehr gezahlt, nachdem das Geſindel meinem Sohne ſchon bedeutende Summen zum Aufbau von Haͤuſern abzuſchwindeln gewußt. Dieß iſt das letzte Wort in dieſer ſchmutzigen Angelegenheit. So lautete ungefaͤhr der Frau Graͤfin liebreiche Zuſchrift. Nun wurde mir augenblicklich klar, was Deine Mutter ſo ſpaͤt am Abend noch bei Bildhauers gewollt. Sie, die auch nicht das geringſte Geſchenk von ihrem Liebhaber angenommen, war empoͤrt uͤber ſolche ungerechte Vorwuͤrfe; war empoͤrt uͤber die Habſucht der Bildhauerleute, die gewiß falſches Spiel geſpielt und in Nettens Namen dem jungen Grafen das Geld abgebettelt hatten, womit ſie ſich aus ihrer

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/42>, abgerufen am 21.11.2024.