Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

laucht dem Fürsten von X. Y. Z. die unterwegs kom-
ponirte Symfonie aus Fis-Moll zu Füßen zu legen
und zur Belohnung dafür den Platz eines Musikdi-
rektors an hochfürstlicher Kapelle zu erhalten, den er
zwar für den Augenblick wie einen Ruhe-Platz betrach-
tet, aber ausdrücklich hinzufügt: nur für so lange,
als er selbst Ruhe brauchen -- und haben wird.

Anton, der in Liebenau aufgewachsen, das stille
Dorf nie verlassen, -- denn die umgebenden, wenn
auch ausgedehnten Waldungen waren für ihn zum
Dorfe gehörig! -- der niemals daran gedacht hatte,
je von seiner Großmutter und deren Hütte zu schei-
den; Anton begriff weder die Beweglichkeit, noch
das Geschick des Tonkünstlers. Wie ein Zauberer
kam ihm der Mann vor, der in entfernten Landen
sich heimisch, und bei der Sprache der Töne nicht an
Worte gebunden, geltend gemacht. Eine neue Welt
that sich an diesem Abende vor Antons Phantasie auf.
Und ohne diesen Abend wäre unser Buch unmöglich,
denn die künftige Wanderlust seines Helden entfaltet
heut' ihre ersten Keime.

Sämmtliche Zuhörerschaft, ein jedes darunter auf
seine Art freilich, fand sich zuletzt durch des Erzählers
Vortrag doch gefesselt, so daß Niemand Zeit gewann,

laucht dem Fuͤrſten von X. Y. Z. die unterwegs kom-
ponirte Symfonie aus Fis-Moll zu Fuͤßen zu legen
und zur Belohnung dafuͤr den Platz eines Muſikdi-
rektors an hochfuͤrſtlicher Kapelle zu erhalten, den er
zwar fuͤr den Augenblick wie einen Ruhe-Platz betrach-
tet, aber ausdruͤcklich hinzufuͤgt: nur fuͤr ſo lange,
als er ſelbſt Ruhe brauchen — und haben wird.

Anton, der in Liebenau aufgewachſen, das ſtille
Dorf nie verlaſſen, — denn die umgebenden, wenn
auch ausgedehnten Waldungen waren fuͤr ihn zum
Dorfe gehoͤrig! — der niemals daran gedacht hatte,
je von ſeiner Großmutter und deren Huͤtte zu ſchei-
den; Anton begriff weder die Beweglichkeit, noch
das Geſchick des Tonkuͤnſtlers. Wie ein Zauberer
kam ihm der Mann vor, der in entfernten Landen
ſich heimiſch, und bei der Sprache der Toͤne nicht an
Worte gebunden, geltend gemacht. Eine neue Welt
that ſich an dieſem Abende vor Antons Phantaſie auf.
Und ohne dieſen Abend waͤre unſer Buch unmoͤglich,
denn die kuͤnftige Wanderluſt ſeines Helden entfaltet
heut’ ihre erſten Keime.

Saͤmmtliche Zuhoͤrerſchaft, ein jedes darunter auf
ſeine Art freilich, fand ſich zuletzt durch des Erzaͤhlers
Vortrag doch gefeſſelt, ſo daß Niemand Zeit gewann,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="64"/>
laucht dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten von X. Y. Z. die unterwegs kom-<lb/>
ponirte Symfonie aus Fis-Moll zu Fu&#x0364;ßen zu legen<lb/>
und zur Belohnung dafu&#x0364;r den Platz eines Mu&#x017F;ikdi-<lb/>
rektors an hochfu&#x0364;r&#x017F;tlicher Kapelle zu erhalten, den er<lb/>
zwar fu&#x0364;r den Augenblick wie einen Ruhe-Platz betrach-<lb/>
tet, aber ausdru&#x0364;cklich hinzufu&#x0364;gt: nur fu&#x0364;r &#x017F;o lange,<lb/>
als er &#x017F;elb&#x017F;t Ruhe brauchen &#x2014; und haben wird.</p><lb/>
        <p>Anton, der in Liebenau aufgewach&#x017F;en, das &#x017F;tille<lb/>
Dorf nie verla&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; denn die umgebenden, wenn<lb/>
auch ausgedehnten Waldungen waren fu&#x0364;r ihn zum<lb/>
Dorfe geho&#x0364;rig! &#x2014; der niemals daran gedacht hatte,<lb/>
je von &#x017F;einer Großmutter und deren Hu&#x0364;tte zu &#x017F;chei-<lb/>
den; Anton begriff weder die Beweglichkeit, noch<lb/>
das Ge&#x017F;chick des Tonku&#x0364;n&#x017F;tlers. Wie ein Zauberer<lb/>
kam ihm der Mann vor, der in entfernten Landen<lb/>
&#x017F;ich heimi&#x017F;ch, und bei der Sprache der To&#x0364;ne nicht an<lb/>
Worte gebunden, geltend gemacht. Eine neue Welt<lb/>
that &#x017F;ich an die&#x017F;em Abende vor Antons Phanta&#x017F;ie auf.<lb/>
Und <hi rendition="#g">ohne</hi> die&#x017F;en Abend wa&#x0364;re un&#x017F;er Buch unmo&#x0364;glich,<lb/>
denn die ku&#x0364;nftige Wanderlu&#x017F;t &#x017F;eines Helden entfaltet<lb/>
heut&#x2019; ihre er&#x017F;ten Keime.</p><lb/>
        <p>Sa&#x0364;mmtliche Zuho&#x0364;rer&#x017F;chaft, ein jedes darunter auf<lb/>
&#x017F;eine Art freilich, fand &#x017F;ich zuletzt durch des Erza&#x0364;hlers<lb/>
Vortrag doch gefe&#x017F;&#x017F;elt, &#x017F;o daß Niemand Zeit gewann,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0080] laucht dem Fuͤrſten von X. Y. Z. die unterwegs kom- ponirte Symfonie aus Fis-Moll zu Fuͤßen zu legen und zur Belohnung dafuͤr den Platz eines Muſikdi- rektors an hochfuͤrſtlicher Kapelle zu erhalten, den er zwar fuͤr den Augenblick wie einen Ruhe-Platz betrach- tet, aber ausdruͤcklich hinzufuͤgt: nur fuͤr ſo lange, als er ſelbſt Ruhe brauchen — und haben wird. Anton, der in Liebenau aufgewachſen, das ſtille Dorf nie verlaſſen, — denn die umgebenden, wenn auch ausgedehnten Waldungen waren fuͤr ihn zum Dorfe gehoͤrig! — der niemals daran gedacht hatte, je von ſeiner Großmutter und deren Huͤtte zu ſchei- den; Anton begriff weder die Beweglichkeit, noch das Geſchick des Tonkuͤnſtlers. Wie ein Zauberer kam ihm der Mann vor, der in entfernten Landen ſich heimiſch, und bei der Sprache der Toͤne nicht an Worte gebunden, geltend gemacht. Eine neue Welt that ſich an dieſem Abende vor Antons Phantaſie auf. Und ohne dieſen Abend waͤre unſer Buch unmoͤglich, denn die kuͤnftige Wanderluſt ſeines Helden entfaltet heut’ ihre erſten Keime. Saͤmmtliche Zuhoͤrerſchaft, ein jedes darunter auf ſeine Art freilich, fand ſich zuletzt durch des Erzaͤhlers Vortrag doch gefeſſelt, ſo daß Niemand Zeit gewann,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/80
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/80>, abgerufen am 24.11.2024.