Ziel verfolgen, wollen recht eigentlich vom Pferd auf den Esel steigen? Aber das ist ja reiner Wahnsinn! Wer hat Jhnen gesagt, daß Sie zum Schauspieler berufen sind? Jhr Spiegel vielleicht? Sie wissen, Sie sind ein schöner junger Mann, gut gebaut, die albernen Weiber mögen Jhnen das oft genug vorge- pinselt haben. Doch machen schlanke Taille und glatte Wangen den Schauspieler nicht. Mit solchen Requisiten und mit dem besten Willen obenein kön- nen und werden Sie ein höchst mittelmäßiger Darsteller bleiben. Wissen Sie, was das ist, ein mittelmäßiger Akteur; um nicht zu sagen ein schlechter? Unter gewissen Umständen, ich meine bei geringen Ansprüchen, wie manche bescheiden-eingerichtete Menschen-Naturen sie nicht anders mitbringen, kann ein solcher subordinir- ter Handlanger auch ein erträgliches Dasein fortschlep- pen; das geb' ich zu. Doch für Sie gilt dies nicht. Sie suchen etwas Anderes; Sie werden es nicht fin- den und dann erst werden Sie ganz elend sein."
Das ist möglich. Nach Jhrer Meinung sogar höchst wahrscheinlich. Gut! So ist es doch keines- weges gewiß. Daß ich aber jetzt wirklich und wahr- haftig elend bin, daß ich mich so fühle, daß ich die Ueberzeugung habe in der Kunstreiterei niemals ein
Ziel verfolgen, wollen recht eigentlich vom Pferd auf den Eſel ſteigen? Aber das iſt ja reiner Wahnſinn! Wer hat Jhnen geſagt, daß Sie zum Schauſpieler berufen ſind? Jhr Spiegel vielleicht? Sie wiſſen, Sie ſind ein ſchoͤner junger Mann, gut gebaut, die albernen Weiber moͤgen Jhnen das oft genug vorge- pinſelt haben. Doch machen ſchlanke Taille und glatte Wangen den Schauſpieler nicht. Mit ſolchen Requiſiten und mit dem beſten Willen obenein koͤn- nen und werden Sie ein hoͤchſt mittelmaͤßiger Darſteller bleiben. Wiſſen Sie, was das iſt, ein mittelmaͤßiger Akteur; um nicht zu ſagen ein ſchlechter? Unter gewiſſen Umſtaͤnden, ich meine bei geringen Anſpruͤchen, wie manche beſcheiden-eingerichtete Menſchen-Naturen ſie nicht anders mitbringen, kann ein ſolcher ſubordinir- ter Handlanger auch ein ertraͤgliches Daſein fortſchlep- pen; das geb’ ich zu. Doch fuͤr Sie gilt dies nicht. Sie ſuchen etwas Anderes; Sie werden es nicht fin- den und dann erſt werden Sie ganz elend ſein.“
Das iſt moͤglich. Nach Jhrer Meinung ſogar hoͤchſt wahrſcheinlich. Gut! So iſt es doch keines- weges gewiß. Daß ich aber jetzt wirklich und wahr- haftig elend bin, daß ich mich ſo fuͤhle, daß ich die Ueberzeugung habe in der Kunſtreiterei niemals ein
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Ziel verfolgen, wollen recht eigentlich vom Pferd auf
den Eſel ſteigen? Aber das iſt ja reiner Wahnſinn!
Wer hat Jhnen geſagt, daß Sie zum Schauſpieler
berufen ſind? Jhr Spiegel vielleicht? Sie wiſſen,
Sie ſind ein ſchoͤner junger Mann, gut gebaut, die
albernen Weiber moͤgen Jhnen das oft genug vorge-
pinſelt haben. Doch machen ſchlanke Taille und
glatte Wangen den Schauſpieler nicht. Mit ſolchen
Requiſiten und mit dem beſten Willen obenein koͤn-
nen und werden Sie ein hoͤchſt mittelmaͤßiger Darſteller
bleiben. Wiſſen Sie, was das iſt, ein mittelmaͤßiger
Akteur; um nicht zu ſagen ein ſchlechter? Unter
gewiſſen Umſtaͤnden, ich meine bei geringen Anſpruͤchen,
wie manche beſcheiden-eingerichtete Menſchen-Naturen
ſie nicht anders mitbringen, kann ein ſolcher ſubordinir-
ter Handlanger auch ein ertraͤgliches Daſein fortſchlep-
pen; das geb’ ich zu. Doch fuͤr Sie gilt dies nicht.
Sie ſuchen etwas Anderes; Sie werden es nicht fin-
den und dann erſt werden Sie ganz elend ſein.“
Das iſt moͤglich. Nach Jhrer Meinung ſogar
hoͤchſt wahrſcheinlich. Gut! So iſt es doch keines-
weges gewiß. Daß ich aber jetzt wirklich und wahr-
haftig elend bin, daß ich mich ſo fuͤhle, daß ich die
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/105>, abgerufen am 27.11.2024.
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