Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Tage, oder am Vormittage des fünften, -- früher
gab es keine Aussicht auf Erlösung.

Anton's erste Reisegesellschaft bestand aus stillen
gleichgültigen Leuten, die ihn für einen Franzosen
hielten, mit welchem sie nicht plaudern könnten, wes-
halb sie ihn seinen Gedanken an Adele ungestört über-
ließen. Der Lohnkutscher war sehr ärgerlich: Die
drei stummen Gefährten unseres Helden hatten sich
dem Hauderer und dessen Marteranstalt nur bis W.
verschrieben; dort, wo sie Handelspläne in der Um-
gegend verfolgen wollten, fielen sie ihm ab und er
sah sich gezwungen, mit einem miserabeln, lausigen
Passagier (wie er sich ausdrückte) weiter zu trödeln.
Doch ein Kutscher lenkt -- und das gute Glück denkt
für ihn.

Jm zweiten Nachtquartier, welches trotz der
kürzesten Tageszeit noch bei hellem Sonnenschein
bezogen wurde, fand Anton das Städtlein voll
freudiger Aufregung. Der berühmte Taschenspieler
und Bauchredner Charles aus Paris wollte die Her-
ablassung haben auf seiner großen Kunstreise eine
Darstellung zu geben. Programme, die im Gast-
zimmer des Wirthshauses hingen, klebten, flatterten,
auf Tischen und Stühlen umherlagen, verhießen das

Tage, oder am Vormittage des fuͤnften, — fruͤher
gab es keine Ausſicht auf Erloͤſung.

Anton’s erſte Reiſegeſellſchaft beſtand aus ſtillen
gleichguͤltigen Leuten, die ihn fuͤr einen Franzoſen
hielten, mit welchem ſie nicht plaudern koͤnnten, wes-
halb ſie ihn ſeinen Gedanken an Adele ungeſtoͤrt uͤber-
ließen. Der Lohnkutſcher war ſehr aͤrgerlich: Die
drei ſtummen Gefaͤhrten unſeres Helden hatten ſich
dem Hauderer und deſſen Marteranſtalt nur bis W.
verſchrieben; dort, wo ſie Handelsplaͤne in der Um-
gegend verfolgen wollten, fielen ſie ihm ab und er
ſah ſich gezwungen, mit einem miſerabeln, lauſigen
Paſſagier (wie er ſich ausdruͤckte) weiter zu troͤdeln.
Doch ein Kutſcher lenkt — und das gute Gluͤck denkt
fuͤr ihn.

Jm zweiten Nachtquartier, welches trotz der
kuͤrzeſten Tageszeit noch bei hellem Sonnenſchein
bezogen wurde, fand Anton das Staͤdtlein voll
freudiger Aufregung. Der beruͤhmte Taſchenſpieler
und Bauchredner Charles aus Paris wollte die Her-
ablaſſung haben auf ſeiner großen Kunſtreiſe eine
Darſtellung zu geben. Programme, die im Gaſt-
zimmer des Wirthshauſes hingen, klebten, flatterten,
auf Tiſchen und Stuͤhlen umherlagen, verhießen das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="125"/>
Tage, oder am Vormittage des fu&#x0364;nften, &#x2014; fru&#x0364;her<lb/>
gab es keine Aus&#x017F;icht auf Erlo&#x0364;&#x017F;ung.</p><lb/>
        <p>Anton&#x2019;s er&#x017F;te Rei&#x017F;ege&#x017F;ell&#x017F;chaft be&#x017F;tand aus &#x017F;tillen<lb/>
gleichgu&#x0364;ltigen Leuten, die ihn fu&#x0364;r einen Franzo&#x017F;en<lb/>
hielten, mit welchem &#x017F;ie nicht plaudern ko&#x0364;nnten, wes-<lb/>
halb &#x017F;ie ihn &#x017F;einen Gedanken an Adele unge&#x017F;to&#x0364;rt u&#x0364;ber-<lb/>
ließen. Der Lohnkut&#x017F;cher war &#x017F;ehr a&#x0364;rgerlich: Die<lb/>
drei &#x017F;tummen Gefa&#x0364;hrten un&#x017F;eres Helden hatten &#x017F;ich<lb/>
dem Hauderer und de&#x017F;&#x017F;en Marteran&#x017F;talt nur bis W.<lb/>
ver&#x017F;chrieben; dort, wo &#x017F;ie Handelspla&#x0364;ne in der Um-<lb/>
gegend verfolgen wollten, fielen &#x017F;ie ihm ab und er<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ich gezwungen, mit <hi rendition="#g">einem</hi> mi&#x017F;erabeln, lau&#x017F;igen<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;agier (wie er &#x017F;ich ausdru&#x0364;ckte) weiter zu tro&#x0364;deln.<lb/>
Doch ein Kut&#x017F;cher lenkt &#x2014; und das gute Glu&#x0364;ck denkt<lb/>
fu&#x0364;r ihn.</p><lb/>
        <p>Jm zweiten Nachtquartier, welches trotz der<lb/>
ku&#x0364;rze&#x017F;ten Tageszeit noch bei hellem Sonnen&#x017F;chein<lb/>
bezogen wurde, fand Anton das Sta&#x0364;dtlein voll<lb/>
freudiger Aufregung. Der beru&#x0364;hmte Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler<lb/>
und Bauchredner Charles aus Paris wollte die Her-<lb/>
abla&#x017F;&#x017F;ung haben auf &#x017F;einer großen Kun&#x017F;trei&#x017F;e eine<lb/>
Dar&#x017F;tellung zu geben. Programme, die im Ga&#x017F;t-<lb/>
zimmer des Wirthshau&#x017F;es hingen, klebten, flatterten,<lb/>
auf Ti&#x017F;chen und Stu&#x0364;hlen umherlagen, verhießen das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0127] Tage, oder am Vormittage des fuͤnften, — fruͤher gab es keine Ausſicht auf Erloͤſung. Anton’s erſte Reiſegeſellſchaft beſtand aus ſtillen gleichguͤltigen Leuten, die ihn fuͤr einen Franzoſen hielten, mit welchem ſie nicht plaudern koͤnnten, wes- halb ſie ihn ſeinen Gedanken an Adele ungeſtoͤrt uͤber- ließen. Der Lohnkutſcher war ſehr aͤrgerlich: Die drei ſtummen Gefaͤhrten unſeres Helden hatten ſich dem Hauderer und deſſen Marteranſtalt nur bis W. verſchrieben; dort, wo ſie Handelsplaͤne in der Um- gegend verfolgen wollten, fielen ſie ihm ab und er ſah ſich gezwungen, mit einem miſerabeln, lauſigen Paſſagier (wie er ſich ausdruͤckte) weiter zu troͤdeln. Doch ein Kutſcher lenkt — und das gute Gluͤck denkt fuͤr ihn. Jm zweiten Nachtquartier, welches trotz der kuͤrzeſten Tageszeit noch bei hellem Sonnenſchein bezogen wurde, fand Anton das Staͤdtlein voll freudiger Aufregung. Der beruͤhmte Taſchenſpieler und Bauchredner Charles aus Paris wollte die Her- ablaſſung haben auf ſeiner großen Kunſtreiſe eine Darſtellung zu geben. Programme, die im Gaſt- zimmer des Wirthshauſes hingen, klebten, flatterten, auf Tiſchen und Stuͤhlen umherlagen, verhießen das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/127
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/127>, abgerufen am 23.11.2024.