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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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ausgesprochen, leerte er ein Glas auf ihr Wohl.
Anton stieß mit ihm an. Dann aber wollte er sich
den erfreulichen Eindruck durch fernere Klatschereien
nicht verderben lassen. Er empfahl sich Herrn Char-
les und zog sich auf sein Zimmer zurück, indem er dem
unermüdlichen Schkramprl ein "auf Wiedersehen für
morgen!" zurückließ. Adelens Bild im dankbaren
Herzen, ihren Namen auf den Lippen, schlief er
zufrieden ein, träumte sich durch allerlei sittsame, sen-
timentale Stimmungen immer tiefer in eine neu ent-
stehende Liebe für sie und fand sich gar häßlich ent-
täuscht, als ein derber Hausknecht, das triefende
Talglicht in schmutziger Faust, ihm scheltend des Land-
kutschers Mandat in die Ohren schrie: daß es die
höchste Zeit sei!

Die Physiognomie der Stadt schien durch wenige
Stunden völlig verändert; ihr düsteres Grau war
mit dem reinen Kleide der Unschuld bedeckt. Der erste
Schnee säuselte hernieder.

Wie Anton sich seinem Wagen näherte, erkannt'
er ihn kaum wieder. Gestern hatte sich nichts darauf
befunden, als sein eigenes Gepäck, -- und dessen war
nicht gar viel, weil die meisten Effekten bereits mit
Guillaume's Bagage-Train vorangegangen; -- heute

ausgeſprochen, leerte er ein Glas auf ihr Wohl.
Anton ſtieß mit ihm an. Dann aber wollte er ſich
den erfreulichen Eindruck durch fernere Klatſchereien
nicht verderben laſſen. Er empfahl ſich Herrn Char-
les und zog ſich auf ſein Zimmer zuruͤck, indem er dem
unermuͤdlichen Schkramprl ein „auf Wiederſehen fuͤr
morgen!“ zuruͤckließ. Adelens Bild im dankbaren
Herzen, ihren Namen auf den Lippen, ſchlief er
zufrieden ein, traͤumte ſich durch allerlei ſittſame, ſen-
timentale Stimmungen immer tiefer in eine neu ent-
ſtehende Liebe fuͤr ſie und fand ſich gar haͤßlich ent-
taͤuſcht, als ein derber Hausknecht, das triefende
Talglicht in ſchmutziger Fauſt, ihm ſcheltend des Land-
kutſchers Mandat in die Ohren ſchrie: daß es die
hoͤchſte Zeit ſei!

Die Phyſiognomie der Stadt ſchien durch wenige
Stunden voͤllig veraͤndert; ihr duͤſteres Grau war
mit dem reinen Kleide der Unſchuld bedeckt. Der erſte
Schnee ſaͤuſelte hernieder.

Wie Anton ſich ſeinem Wagen naͤherte, erkannt’
er ihn kaum wieder. Geſtern hatte ſich nichts darauf
befunden, als ſein eigenes Gepaͤck, — und deſſen war
nicht gar viel, weil die meiſten Effekten bereits mit
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[140/0142] ausgeſprochen, leerte er ein Glas auf ihr Wohl. Anton ſtieß mit ihm an. Dann aber wollte er ſich den erfreulichen Eindruck durch fernere Klatſchereien nicht verderben laſſen. Er empfahl ſich Herrn Char- les und zog ſich auf ſein Zimmer zuruͤck, indem er dem unermuͤdlichen Schkramprl ein „auf Wiederſehen fuͤr morgen!“ zuruͤckließ. Adelens Bild im dankbaren Herzen, ihren Namen auf den Lippen, ſchlief er zufrieden ein, traͤumte ſich durch allerlei ſittſame, ſen- timentale Stimmungen immer tiefer in eine neu ent- ſtehende Liebe fuͤr ſie und fand ſich gar haͤßlich ent- taͤuſcht, als ein derber Hausknecht, das triefende Talglicht in ſchmutziger Fauſt, ihm ſcheltend des Land- kutſchers Mandat in die Ohren ſchrie: daß es die hoͤchſte Zeit ſei! Die Phyſiognomie der Stadt ſchien durch wenige Stunden voͤllig veraͤndert; ihr duͤſteres Grau war mit dem reinen Kleide der Unſchuld bedeckt. Der erſte Schnee ſaͤuſelte hernieder. Wie Anton ſich ſeinem Wagen naͤherte, erkannt’ er ihn kaum wieder. Geſtern hatte ſich nichts darauf befunden, als ſein eigenes Gepaͤck, — und deſſen war nicht gar viel, weil die meiſten Effekten bereits mit Guillaume’s Bagage-Train vorangegangen; — heute

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/142>, abgerufen am 27.11.2024.