verfraßen sie mir freilich in Hühnern, -- doch als ich auf den Anzeigen bemerkte: diejenigen Zuschauer, welche das interessante Naturspiel des blutig-rohen Verschlingens zu beobachten wünschen, werden ersucht, das dazu nothwendige Geflügel selbst mitzu- bringen, -- da fanden bedeutende Lieferungen statt, von denen manches auch für mich abfiel. Das Gleichgewicht stellte sich wieder her und ich war zufrieden mit meiner Entreprise. Nach und nach aber schnappten meine Sklaven deutsche Wörter und Begriffe auf, suchten Umgang mit Kellnern und Dienstmädchen in den Gasthäusern wo wir einkehr- ten, und gelangten so, nach Verlauf eines Jahres zur Kenntniß, daß es bei uns zu Lande keine Sklaverei gebe; daß jeder Mensch frei sei. Unsinn! Erstens sind wir alle Sklaven, wenn auch ein jeder in anderer Art; zweitens waren sie Wilde und keine Menschen. Das erste beste Pavian ist mehr Mensch, als sie es waren. Aber was half's? Die Rebellion brach aus. Eines schönen Morgens umringten sie mein Bett, tanzten den Kriegstanz, schwangen die Keulen, setz- ten mir die Füße auf die Brust und proklamirten ihre Unabhängigkeit. Jch ergab mich nicht so leicht, suchte meinen Riesen hervor, es entstand ein furchtbarer
verfraßen ſie mir freilich in Huͤhnern, — doch als ich auf den Anzeigen bemerkte: diejenigen Zuſchauer, welche das intereſſante Naturſpiel des blutig-rohen Verſchlingens zu beobachten wuͤnſchen, werden erſucht, das dazu nothwendige Gefluͤgel ſelbſt mitzu- bringen, — da fanden bedeutende Lieferungen ſtatt, von denen manches auch fuͤr mich abfiel. Das Gleichgewicht ſtellte ſich wieder her und ich war zufrieden mit meiner Entrepriſe. Nach und nach aber ſchnappten meine Sklaven deutſche Woͤrter und Begriffe auf, ſuchten Umgang mit Kellnern und Dienſtmaͤdchen in den Gaſthaͤuſern wo wir einkehr- ten, und gelangten ſo, nach Verlauf eines Jahres zur Kenntniß, daß es bei uns zu Lande keine Sklaverei gebe; daß jeder Menſch frei ſei. Unſinn! Erſtens ſind wir alle Sklaven, wenn auch ein jeder in anderer Art; zweitens waren ſie Wilde und keine Menſchen. Das erſte beſte Pavian iſt mehr Menſch, als ſie es waren. Aber was half’s? Die Rebellion brach aus. Eines ſchoͤnen Morgens umringten ſie mein Bett, tanzten den Kriegstanz, ſchwangen die Keulen, ſetz- ten mir die Fuͤße auf die Bruſt und proklamirten ihre Unabhaͤngigkeit. Jch ergab mich nicht ſo leicht, ſuchte meinen Rieſen hervor, es entſtand ein furchtbarer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="154"/>
verfraßen ſie mir freilich in Huͤhnern, — doch als ich<lb/>
auf den Anzeigen bemerkte: diejenigen Zuſchauer,<lb/>
welche das intereſſante Naturſpiel des blutig-rohen<lb/>
Verſchlingens zu beobachten wuͤnſchen, werden<lb/>
erſucht, das dazu nothwendige Gefluͤgel ſelbſt mitzu-<lb/>
bringen, — da fanden bedeutende Lieferungen ſtatt,<lb/>
von denen manches auch fuͤr mich abfiel. Das<lb/>
Gleichgewicht ſtellte ſich wieder her und ich war<lb/>
zufrieden mit meiner Entrepriſe. Nach und nach<lb/>
aber ſchnappten meine Sklaven deutſche Woͤrter und<lb/>
Begriffe auf, ſuchten Umgang mit Kellnern und<lb/>
Dienſtmaͤdchen in den Gaſthaͤuſern wo wir einkehr-<lb/>
ten, und gelangten ſo, nach Verlauf eines Jahres zur<lb/>
Kenntniß, daß es bei uns zu Lande keine Sklaverei<lb/>
gebe; daß jeder Menſch frei ſei. Unſinn! Erſtens<lb/>ſind wir alle Sklaven, wenn auch ein jeder in anderer<lb/>
Art; zweitens waren <hirendition="#g">ſie</hi> Wilde und keine Menſchen.<lb/>
Das erſte beſte Pavian iſt mehr Menſch, als ſie es<lb/>
waren. Aber was half’s? Die Rebellion brach aus.<lb/>
Eines ſchoͤnen Morgens umringten ſie mein Bett,<lb/>
tanzten den Kriegstanz, ſchwangen die Keulen, ſetz-<lb/>
ten mir die Fuͤße auf die Bruſt und proklamirten ihre<lb/>
Unabhaͤngigkeit. Jch ergab mich nicht ſo leicht, ſuchte<lb/>
meinen Rieſen hervor, es entſtand ein furchtbarer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[154/0156]
verfraßen ſie mir freilich in Huͤhnern, — doch als ich
auf den Anzeigen bemerkte: diejenigen Zuſchauer,
welche das intereſſante Naturſpiel des blutig-rohen
Verſchlingens zu beobachten wuͤnſchen, werden
erſucht, das dazu nothwendige Gefluͤgel ſelbſt mitzu-
bringen, — da fanden bedeutende Lieferungen ſtatt,
von denen manches auch fuͤr mich abfiel. Das
Gleichgewicht ſtellte ſich wieder her und ich war
zufrieden mit meiner Entrepriſe. Nach und nach
aber ſchnappten meine Sklaven deutſche Woͤrter und
Begriffe auf, ſuchten Umgang mit Kellnern und
Dienſtmaͤdchen in den Gaſthaͤuſern wo wir einkehr-
ten, und gelangten ſo, nach Verlauf eines Jahres zur
Kenntniß, daß es bei uns zu Lande keine Sklaverei
gebe; daß jeder Menſch frei ſei. Unſinn! Erſtens
ſind wir alle Sklaven, wenn auch ein jeder in anderer
Art; zweitens waren ſie Wilde und keine Menſchen.
Das erſte beſte Pavian iſt mehr Menſch, als ſie es
waren. Aber was half’s? Die Rebellion brach aus.
Eines ſchoͤnen Morgens umringten ſie mein Bett,
tanzten den Kriegstanz, ſchwangen die Keulen, ſetz-
ten mir die Fuͤße auf die Bruſt und proklamirten ihre
Unabhaͤngigkeit. Jch ergab mich nicht ſo leicht, ſuchte
meinen Rieſen hervor, es entſtand ein furchtbarer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/156>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.