lichen Bezug auf dieselben, wie einen künstlerisch und nicht unwissenschaftlich ausgebildeten Mann erscheinen ließ. Was Sie hier sehen, sagte er, ist nur für die Menge berechnet, denn ich muß mich ernähren. An- dere, bedeutendere Arbeiten verwahr' ich in jenem Seitenkabinet, aus welchem ich soeben mit den beiden Herren trat. Darin verberg' ich, -- denn verborgen müssen sie bleiben, des lieben sittlichen Anstandes hal- ber, -- die Erzeugnisse meiner Mußestunden: Nach- bildungen theils merkwürdiger anatomischer Präpa- rate, theils verschiedener Natur-Mysterien, wie dieselben vor Damen, Kindern -- überhaupt öffentlich nicht ausgestellt werden dürfen. Den Ausdruck des Menschlichen zu treffen, in sofern er dem Antlitz gei- stige Weihe giebt, gelingt Künstlern meiner Gattung nur unvollkommen. Wir sollen plastische Bildner sein und Maler, beides zugleich; deshalb sind wir streng genommen keines von beiden. Jch sehe das deutlich ein, bin darum auch unzufrieden mit dem was hier prunkt und prangt. Aber meine kleinen Arbeiten da drinn, in der heimlichen Kammer, darf ich vollkommen nennen auf ihre Weise. Sie maßen sich nicht an, Leidenschaften, Gefühle, Charaktere auszudrücken; sie bedürfen keiner Augen, die Feuer
lichen Bezug auf dieſelben, wie einen kuͤnſtleriſch und nicht unwiſſenſchaftlich ausgebildeten Mann erſcheinen ließ. Was Sie hier ſehen, ſagte er, iſt nur fuͤr die Menge berechnet, denn ich muß mich ernaͤhren. An- dere, bedeutendere Arbeiten verwahr’ ich in jenem Seitenkabinet, aus welchem ich ſoeben mit den beiden Herren trat. Darin verberg’ ich, — denn verborgen muͤſſen ſie bleiben, des lieben ſittlichen Anſtandes hal- ber, — die Erzeugniſſe meiner Mußeſtunden: Nach- bildungen theils merkwuͤrdiger anatomiſcher Praͤpa- rate, theils verſchiedener Natur-Myſterien, wie dieſelben vor Damen, Kindern — uͤberhaupt oͤffentlich nicht ausgeſtellt werden duͤrfen. Den Ausdruck des Menſchlichen zu treffen, in ſofern er dem Antlitz gei- ſtige Weihe giebt, gelingt Kuͤnſtlern meiner Gattung nur unvollkommen. Wir ſollen plaſtiſche Bildner ſein und Maler, beides zugleich; deshalb ſind wir ſtreng genommen keines von beiden. Jch ſehe das deutlich ein, bin darum auch unzufrieden mit dem was hier prunkt und prangt. Aber meine kleinen Arbeiten da drinn, in der heimlichen Kammer, darf ich vollkommen nennen auf ihre Weiſe. Sie maßen ſich nicht an, Leidenſchaften, Gefuͤhle, Charaktere auszudruͤcken; ſie beduͤrfen keiner Augen, die Feuer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="215"/>
lichen Bezug auf dieſelben, wie einen kuͤnſtleriſch und<lb/>
nicht unwiſſenſchaftlich ausgebildeten Mann erſcheinen<lb/>
ließ. Was Sie hier ſehen, ſagte er, iſt nur fuͤr die<lb/>
Menge berechnet, denn ich muß mich ernaͤhren. An-<lb/>
dere, bedeutendere Arbeiten verwahr’ ich in jenem<lb/>
Seitenkabinet, aus welchem ich ſoeben mit den beiden<lb/>
Herren trat. Darin verberg’ ich, — denn verborgen<lb/>
muͤſſen ſie bleiben, des lieben ſittlichen Anſtandes hal-<lb/>
ber, — die Erzeugniſſe meiner Mußeſtunden: Nach-<lb/>
bildungen theils merkwuͤrdiger anatomiſcher Praͤpa-<lb/>
rate, theils verſchiedener Natur-Myſterien, wie<lb/>
dieſelben vor Damen, Kindern — uͤberhaupt oͤffentlich<lb/>
nicht ausgeſtellt werden duͤrfen. Den Ausdruck des<lb/>
Menſchlichen zu treffen, in ſofern er dem Antlitz gei-<lb/>ſtige Weihe giebt, gelingt Kuͤnſtlern meiner Gattung<lb/>
nur unvollkommen. Wir ſollen plaſtiſche Bildner<lb/>ſein und Maler, beides zugleich; deshalb ſind wir<lb/>ſtreng genommen keines von beiden. Jch ſehe das<lb/>
deutlich ein, bin darum auch unzufrieden mit dem<lb/>
was hier prunkt und prangt. Aber meine kleinen<lb/>
Arbeiten da drinn, in der heimlichen Kammer, darf<lb/>
ich vollkommen nennen auf ihre Weiſe. Sie maßen<lb/>ſich nicht an, Leidenſchaften, Gefuͤhle, Charaktere<lb/>
auszudruͤcken; ſie beduͤrfen keiner Augen, die Feuer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[215/0217]
lichen Bezug auf dieſelben, wie einen kuͤnſtleriſch und
nicht unwiſſenſchaftlich ausgebildeten Mann erſcheinen
ließ. Was Sie hier ſehen, ſagte er, iſt nur fuͤr die
Menge berechnet, denn ich muß mich ernaͤhren. An-
dere, bedeutendere Arbeiten verwahr’ ich in jenem
Seitenkabinet, aus welchem ich ſoeben mit den beiden
Herren trat. Darin verberg’ ich, — denn verborgen
muͤſſen ſie bleiben, des lieben ſittlichen Anſtandes hal-
ber, — die Erzeugniſſe meiner Mußeſtunden: Nach-
bildungen theils merkwuͤrdiger anatomiſcher Praͤpa-
rate, theils verſchiedener Natur-Myſterien, wie
dieſelben vor Damen, Kindern — uͤberhaupt oͤffentlich
nicht ausgeſtellt werden duͤrfen. Den Ausdruck des
Menſchlichen zu treffen, in ſofern er dem Antlitz gei-
ſtige Weihe giebt, gelingt Kuͤnſtlern meiner Gattung
nur unvollkommen. Wir ſollen plaſtiſche Bildner
ſein und Maler, beides zugleich; deshalb ſind wir
ſtreng genommen keines von beiden. Jch ſehe das
deutlich ein, bin darum auch unzufrieden mit dem
was hier prunkt und prangt. Aber meine kleinen
Arbeiten da drinn, in der heimlichen Kammer, darf
ich vollkommen nennen auf ihre Weiſe. Sie maßen
ſich nicht an, Leidenſchaften, Gefuͤhle, Charaktere
auszudruͤcken; ſie beduͤrfen keiner Augen, die Feuer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/217>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.