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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Zeit zu Zeit ergriff er seine Geige. Mit ihrer Hilfe
rief er viele wechselnde Bilder wach. Die Wilde-
weinlaube sammt Carino und Ottilie, -- seine Groß-
mutter, -- Laura, -- Adele, welcher letzteren zu
Ehren er die Musikstücke spielte, die ihre Darstellungen
gewöhnlich begleitet hatten. Und wenn er nun von
wehmüthig-frommen zu verführerisch-irdischen Erschei-
nungen, und wieder umgekehrt, überging, drängte
sich dazwischen, wie beiden Richtungen angehörig,
die liebliche Gestalt der milden, schweigsamen, jungen
Frau in deren nächster Nähe zu athmen, ihr stilles
Leiden täglich zu beobachten, jetzt seine bedenkliche
Aufgabe geworden war.

Der Tag ging zu Ende. Die Kasse sollte
geschlossen werden.

Anton griff, ohne zu wissen, daß er es that, nach
den großen Vorlegeschlössern, mit denen man zur
Nacht die Eingänge verwahrte und stand eben im
Begriff zu thun, was seines Amtes, da raschelte es
vor der Thür des Kämmerleins. "Führt mir der
böse Geist noch so spät einen lüsternen Neugierigen
zu? Jch meinte, die Gnadenpforte am Eingange sei
schon gesperrt?"

Zeit zu Zeit ergriff er ſeine Geige. Mit ihrer Hilfe
rief er viele wechſelnde Bilder wach. Die Wilde-
weinlaube ſammt Carino und Ottilie, — ſeine Groß-
mutter, — Laura, — Adele, welcher letzteren zu
Ehren er die Muſikſtuͤcke ſpielte, die ihre Darſtellungen
gewoͤhnlich begleitet hatten. Und wenn er nun von
wehmuͤthig-frommen zu verfuͤhreriſch-irdiſchen Erſchei-
nungen, und wieder umgekehrt, uͤberging, draͤngte
ſich dazwiſchen, wie beiden Richtungen angehoͤrig,
die liebliche Geſtalt der milden, ſchweigſamen, jungen
Frau in deren naͤchſter Naͤhe zu athmen, ihr ſtilles
Leiden taͤglich zu beobachten, jetzt ſeine bedenkliche
Aufgabe geworden war.

Der Tag ging zu Ende. Die Kaſſe ſollte
geſchloſſen werden.

Anton griff, ohne zu wiſſen, daß er es that, nach
den großen Vorlegeſchloͤſſern, mit denen man zur
Nacht die Eingaͤnge verwahrte und ſtand eben im
Begriff zu thun, was ſeines Amtes, da raſchelte es
vor der Thuͤr des Kaͤmmerleins. „Fuͤhrt mir der
boͤſe Geiſt noch ſo ſpaͤt einen luͤſternen Neugierigen
zu? Jch meinte, die Gnadenpforte am Eingange ſei
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[249/0251] Zeit zu Zeit ergriff er ſeine Geige. Mit ihrer Hilfe rief er viele wechſelnde Bilder wach. Die Wilde- weinlaube ſammt Carino und Ottilie, — ſeine Groß- mutter, — Laura, — Adele, welcher letzteren zu Ehren er die Muſikſtuͤcke ſpielte, die ihre Darſtellungen gewoͤhnlich begleitet hatten. Und wenn er nun von wehmuͤthig-frommen zu verfuͤhreriſch-irdiſchen Erſchei- nungen, und wieder umgekehrt, uͤberging, draͤngte ſich dazwiſchen, wie beiden Richtungen angehoͤrig, die liebliche Geſtalt der milden, ſchweigſamen, jungen Frau in deren naͤchſter Naͤhe zu athmen, ihr ſtilles Leiden taͤglich zu beobachten, jetzt ſeine bedenkliche Aufgabe geworden war. Der Tag ging zu Ende. Die Kaſſe ſollte geſchloſſen werden. Anton griff, ohne zu wiſſen, daß er es that, nach den großen Vorlegeſchloͤſſern, mit denen man zur Nacht die Eingaͤnge verwahrte und ſtand eben im Begriff zu thun, was ſeines Amtes, da raſchelte es vor der Thuͤr des Kaͤmmerleins. „Fuͤhrt mir der boͤſe Geiſt noch ſo ſpaͤt einen luͤſternen Neugierigen zu? Jch meinte, die Gnadenpforte am Eingange ſei ſchon geſperrt?“

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/251>, abgerufen am 23.11.2024.