sicher, in seinem Gott zufrieden und vergnügt; blieb so blind für die Qualen die in Käthchens Busen wühlten, als ob sie.... je nun, warum sollt ich dies Gleichniß ungebraucht lassen? trifft es doch die Wahr- heit: als ob sie jene sinnreich konstruirte Wachsfigur aus Anton's heimlicher Kammer sei, die er, der Meister angefertiget und deren Blutumlauf seine Hand nach Belieben beschleunigen oder hemmen mochte.
Jn jener Kammer sollte Käthchen's Geschick sich entscheiden!
Der späte Herbst hüllte auch Frankreichs geseg- neten und segnenden Himmel in düstere graue Wolken. Es war im Anfang des November. Anton weilte in seinem Versteck, woselbst er heute wenig Besuch empfangen, wenig Einnahme gezählt, sich aber an dieser seltenen Stille gefreut, weil er den Jahrestag der Trennung von Liebenau feierte. "Heute vor drei Jahren ist es gewesen, wo ich den armen Koko aus den Schnäbeln der Eichberger Nebelkrähen rettete; wo ich Laura zum Erstenmale sah!"
Und was bedurft' es noch weiter, außer dieser kurzen Erinnerung, um seine Gedanken hinreichend lange zu beschäftigen, für mehr wie einen Tag. Von
ſicher, in ſeinem Gott zufrieden und vergnuͤgt; blieb ſo blind fuͤr die Qualen die in Kaͤthchens Buſen wuͤhlten, als ob ſie.... je nun, warum ſollt ich dies Gleichniß ungebraucht laſſen? trifft es doch die Wahr- heit: als ob ſie jene ſinnreich konſtruirte Wachsfigur aus Anton’s heimlicher Kammer ſei, die er, der Meiſter angefertiget und deren Blutumlauf ſeine Hand nach Belieben beſchleunigen oder hemmen mochte.
Der ſpaͤte Herbſt huͤllte auch Frankreichs geſeg- neten und ſegnenden Himmel in duͤſtere graue Wolken. Es war im Anfang des November. Anton weilte in ſeinem Verſteck, woſelbſt er heute wenig Beſuch empfangen, wenig Einnahme gezaͤhlt, ſich aber an dieſer ſeltenen Stille gefreut, weil er den Jahrestag der Trennung von Liebenau feierte. „Heute vor drei Jahren iſt es geweſen, wo ich den armen Koko aus den Schnaͤbeln der Eichberger Nebelkraͤhen rettete; wo ich Laura zum Erſtenmale ſah!“
Und was bedurft’ es noch weiter, außer dieſer kurzen Erinnerung, um ſeine Gedanken hinreichend lange zu beſchaͤftigen, fuͤr mehr wie einen Tag. Von
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ſicher, in ſeinem Gott zufrieden und vergnuͤgt; blieb
ſo blind fuͤr die Qualen die in Kaͤthchens Buſen
wuͤhlten, als ob ſie.... je nun, warum ſollt ich dies
Gleichniß ungebraucht laſſen? trifft es doch die Wahr-
heit: als ob ſie jene ſinnreich konſtruirte Wachsfigur
aus Anton’s heimlicher Kammer ſei, die er, der
Meiſter angefertiget und deren Blutumlauf ſeine
Hand nach Belieben beſchleunigen oder hemmen
mochte.
Jn jener Kammer ſollte Kaͤthchen’s Geſchick ſich
entſcheiden!
Der ſpaͤte Herbſt huͤllte auch Frankreichs geſeg-
neten und ſegnenden Himmel in duͤſtere graue Wolken.
Es war im Anfang des November. Anton weilte in
ſeinem Verſteck, woſelbſt er heute wenig Beſuch
empfangen, wenig Einnahme gezaͤhlt, ſich aber an
dieſer ſeltenen Stille gefreut, weil er den Jahrestag
der Trennung von Liebenau feierte. „Heute vor drei
Jahren iſt es geweſen, wo ich den armen Koko aus
den Schnaͤbeln der Eichberger Nebelkraͤhen rettete;
wo ich Laura zum Erſtenmale ſah!“
Und was bedurft’ es noch weiter, außer dieſer
kurzen Erinnerung, um ſeine Gedanken hinreichend
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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