Doch sollte dieser Abend nur der Vorläufer eines zweiten, noch boshafter angelegten Planes sein. Anton bekam davon eine Ahnung, die noch gesteigert wurde, als er kurz vor Beginn der Vorstellung das junge Herrlein mit jenem gehorsamen Zischer vom letzten Range, bei einem Gespräch belauschte. Nur die dünnen Bretterwände der Garderobe trennten ihn von dem flüsternden Paare. Er vernahm die Frage: Habt ihr sie hier? und die darauf erfolgende Ant- wort: "Sehr wohl, Herr Graf, Friedrich hat sie oben bei sich im Futtersack!" Ob er gleich den Sinn dieser Worte nicht ganz verstand, genügten sie doch, ihn eine neue Feindseligkeit gegen die Verfolgte erwarten zu lassen; weshalb er gewissermaßen auf dem Sprunge stand; schon im Voraus bereit, zu verhin- dern, was er etwa verhindern könne; oder zu rächen, was zu verhindern unmöglich sei.
Als Madame Adelaide heut erschien, flog ihr ein Blumenregen entgegen, und aus derselben Ecke des letzten Platzes, wo abermals jener dem jungen Herr- lein vertraute Diener Posten gefaßt, schien sich ein Wolkenbruch von Sträußen und Kränzen zu ent- laden. Dies zu sehen tröstete Anton beinahe, denn er wurde geneigt zu glauben, es seien eben diese harm-
Doch ſollte dieſer Abend nur der Vorlaͤufer eines zweiten, noch boshafter angelegten Planes ſein. Anton bekam davon eine Ahnung, die noch geſteigert wurde, als er kurz vor Beginn der Vorſtellung das junge Herrlein mit jenem gehorſamen Ziſcher vom letzten Range, bei einem Geſpraͤch belauſchte. Nur die duͤnnen Bretterwaͤnde der Garderobe trennten ihn von dem fluͤſternden Paare. Er vernahm die Frage: Habt ihr ſie hier? und die darauf erfolgende Ant- wort: „Sehr wohl, Herr Graf, Friedrich hat ſie oben bei ſich im Futterſack!“ Ob er gleich den Sinn dieſer Worte nicht ganz verſtand, genuͤgten ſie doch, ihn eine neue Feindſeligkeit gegen die Verfolgte erwarten zu laſſen; weshalb er gewiſſermaßen auf dem Sprunge ſtand; ſchon im Voraus bereit, zu verhin- dern, was er etwa verhindern koͤnne; oder zu raͤchen, was zu verhindern unmoͤglich ſei.
Als Madame Adelaide heut erſchien, flog ihr ein Blumenregen entgegen, und aus derſelben Ecke des letzten Platzes, wo abermals jener dem jungen Herr- lein vertraute Diener Poſten gefaßt, ſchien ſich ein Wolkenbruch von Straͤußen und Kraͤnzen zu ent- laden. Dies zu ſehen troͤſtete Anton beinahe, denn er wurde geneigt zu glauben, es ſeien eben dieſe harm-
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Doch ſollte dieſer Abend nur der Vorlaͤufer eines
zweiten, noch boshafter angelegten Planes ſein.
Anton bekam davon eine Ahnung, die noch geſteigert
wurde, als er kurz vor Beginn der Vorſtellung das
junge Herrlein mit jenem gehorſamen Ziſcher vom
letzten Range, bei einem Geſpraͤch belauſchte. Nur
die duͤnnen Bretterwaͤnde der Garderobe trennten ihn
von dem fluͤſternden Paare. Er vernahm die Frage:
Habt ihr ſie hier? und die darauf erfolgende Ant-
wort: „Sehr wohl, Herr Graf, Friedrich hat ſie oben
bei ſich im Futterſack!“ Ob er gleich den Sinn dieſer
Worte nicht ganz verſtand, genuͤgten ſie doch, ihn
eine neue Feindſeligkeit gegen die Verfolgte erwarten
zu laſſen; weshalb er gewiſſermaßen auf dem
Sprunge ſtand; ſchon im Voraus bereit, zu verhin-
dern, was er etwa verhindern koͤnne; oder zu raͤchen,
was zu verhindern unmoͤglich ſei.
Als Madame Adelaide heut erſchien, flog ihr ein
Blumenregen entgegen, und aus derſelben Ecke des
letzten Platzes, wo abermals jener dem jungen Herr-
lein vertraute Diener Poſten gefaßt, ſchien ſich ein
Wolkenbruch von Straͤußen und Kraͤnzen zu ent-
laden. Dies zu ſehen troͤſtete Anton beinahe, denn
er wurde geneigt zu glauben, es ſeien eben dieſe harm-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/26>, abgerufen am 23.11.2024.
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