ihrer aus zwei Kämmerchen bestehenden Wohnung einräumten. Anton's Ansprüche stimmten mit solchem Anerbieten überein; er ergriff diesen Zufluchtsort um so eifriger, weil seine künftigen Hausleute in ihrer Abgeschiedenheit vom äußeren Leben ihn hoffen ließen, er werde ihnen gegenüber nicht nöthig haben, durch Gespräche zu erweisen, wie der in Liebenau erwachsene Anton ein in Paris geborener Antoine sei. Des letzteren Paß wußte er freilich nicht ohne Besorgniß in den Händen der Behörde und entsendete manchen tiefgeathmeten Stoßseufzer zum Himmel: besagter Antoine möge in Diensten Seiner Kaiserlichen Majestät des Selbstherrschers aller Russen und Reussen bereits herrliche Progressen gemacht, jeden Gedanken an Heimkehr aufgegeben haben, vorzüglich aber in Paris keine Verwandte besitzen, die da etwa kämen, sich nach dem verlorenen Sohne zu erkundigen!
Was unser Freund Anton "seine Nachforschungen" zu nennen beliebte, begann am ersten Tage, wie er sich nur kaum häuslich eingerichtet, das heißt seine Bücher und Papiere ausgelegt und einen Schreibtisch aufgeschlagen. Er begab sich nach Franconi's Theater, wo er sämmtliche Mitglieder, von den ersten
ihrer aus zwei Kaͤmmerchen beſtehenden Wohnung einraͤumten. Anton’s Anſpruͤche ſtimmten mit ſolchem Anerbieten uͤberein; er ergriff dieſen Zufluchtsort um ſo eifriger, weil ſeine kuͤnftigen Hausleute in ihrer Abgeſchiedenheit vom aͤußeren Leben ihn hoffen ließen, er werde ihnen gegenuͤber nicht noͤthig haben, durch Geſpraͤche zu erweiſen, wie der in Liebenau erwachſene Anton ein in Paris geborener Antoine ſei. Des letzteren Paß wußte er freilich nicht ohne Beſorgniß in den Haͤnden der Behoͤrde und entſendete manchen tiefgeathmeten Stoßſeufzer zum Himmel: beſagter Antoine moͤge in Dienſten Seiner Kaiſerlichen Majeſtaͤt des Selbſtherrſchers aller Ruſſen und Reuſſen bereits herrliche Progreſſen gemacht, jeden Gedanken an Heimkehr aufgegeben haben, vorzuͤglich aber in Paris keine Verwandte beſitzen, die da etwa kaͤmen, ſich nach dem verlorenen Sohne zu erkundigen!
Was unſer Freund Anton „ſeine Nachforſchungen“ zu nennen beliebte, begann am erſten Tage, wie er ſich nur kaum haͤuslich eingerichtet, das heißt ſeine Buͤcher und Papiere ausgelegt und einen Schreibtiſch aufgeſchlagen. Er begab ſich nach Franconi’s Theater, wo er ſaͤmmtliche Mitglieder, von den erſten
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ihrer aus zwei Kaͤmmerchen beſtehenden Wohnung
einraͤumten. Anton’s Anſpruͤche ſtimmten mit ſolchem
Anerbieten uͤberein; er ergriff dieſen Zufluchtsort um
ſo eifriger, weil ſeine kuͤnftigen Hausleute in ihrer
Abgeſchiedenheit vom aͤußeren Leben ihn hoffen ließen,
er werde ihnen gegenuͤber nicht noͤthig haben, durch
Geſpraͤche zu erweiſen, wie der in Liebenau erwachſene
Anton ein in Paris geborener Antoine ſei. Des
letzteren Paß wußte er freilich nicht ohne Beſorgniß
in den Haͤnden der Behoͤrde und entſendete manchen
tiefgeathmeten Stoßſeufzer zum Himmel: beſagter
Antoine moͤge in Dienſten Seiner Kaiſerlichen
Majeſtaͤt des Selbſtherrſchers aller Ruſſen und
Reuſſen bereits herrliche Progreſſen gemacht, jeden
Gedanken an Heimkehr aufgegeben haben, vorzuͤglich
aber in Paris keine Verwandte beſitzen, die da etwa
kaͤmen, ſich nach dem verlorenen Sohne zu erkundigen!
Was unſer Freund Anton „ſeine Nachforſchungen“
zu nennen beliebte, begann am erſten Tage, wie er
ſich nur kaum haͤuslich eingerichtet, das heißt ſeine
Buͤcher und Papiere ausgelegt und einen Schreibtiſch
aufgeſchlagen. Er begab ſich nach Franconi’s
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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