"Erst kein Geld bei sich haben? Dann seine eigene Wohnung nicht wissen? Fort zum Kommissair!"
Jn diesem schrecklichen Moment erscheint der Herr Baron, -- ein Wort, im Vorübergehen vernommen, genügt, ihn zurückzukehren, er bietet seine Dienste an, er bezahlt die Note, schenkt dem Träger einen Napo- leon, nennt ihn einen impertinenten Schurken, reicht Bärbchen den Arm, bringt sie bis hierher, nennt drin- gend befragt flüchtig seinen Namen und entzieht sich unserm Danke. Heute aber bemüht er sich, uns die erste Visite zu schenken! -- Das heiß' ich einen wah- ren Gentleman!
Während dieser Rede, die Anton nicht mit anzu- hören brauchte, weil der Jnhalt derselben schon auf seinem Register stand, wiederholte er sich die ganze Aufgabe im Gedächtniß; und da er auf den fünften Paragraphen der Jnstruktion stieß, welcher ausdrück- lich lautet: "bisweilen deutsch reden, doch nur gebro- chen," nahm er alsogleich im schönsten gebrochensten Französisch-Deutsch das Wort, Herrn van der Helfft zu versichern, er sei gekommen, nicht um sich danken zu lassen für eine Kleinigkeit, die sich ja von selbst verstehe, sondern lediglich, um nicht den Anschein zu geben, als wolle er zögern, seine Auslage wieder zu
„Erſt kein Geld bei ſich haben? Dann ſeine eigene Wohnung nicht wiſſen? Fort zum Kommiſſair!“
Jn dieſem ſchrecklichen Moment erſcheint der Herr Baron, — ein Wort, im Voruͤbergehen vernommen, genuͤgt, ihn zuruͤckzukehren, er bietet ſeine Dienſte an, er bezahlt die Note, ſchenkt dem Traͤger einen Napo- leon, nennt ihn einen impertinenten Schurken, reicht Baͤrbchen den Arm, bringt ſie bis hierher, nennt drin- gend befragt fluͤchtig ſeinen Namen und entzieht ſich unſerm Danke. Heute aber bemuͤht er ſich, uns die erſte Viſite zu ſchenken! — Das heiß’ ich einen wah- ren Gentleman!
Waͤhrend dieſer Rede, die Anton nicht mit anzu- hoͤren brauchte, weil der Jnhalt derſelben ſchon auf ſeinem Regiſter ſtand, wiederholte er ſich die ganze Aufgabe im Gedaͤchtniß; und da er auf den fuͤnften Paragraphen der Jnſtruktion ſtieß, welcher ausdruͤck- lich lautet: „bisweilen deutſch reden, doch nur gebro- chen,“ nahm er alſogleich im ſchoͤnſten gebrochenſten Franzoͤſiſch-Deutſch das Wort, Herrn van der Helfft zu verſichern, er ſei gekommen, nicht um ſich danken zu laſſen fuͤr eine Kleinigkeit, die ſich ja von ſelbſt verſtehe, ſondern lediglich, um nicht den Anſchein zu geben, als wolle er zoͤgern, ſeine Auslage wieder zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0297"n="295"/>„Erſt kein Geld bei ſich haben? Dann ſeine eigene<lb/>
Wohnung nicht wiſſen? Fort zum Kommiſſair!“</p><lb/><p>Jn dieſem ſchrecklichen Moment erſcheint der Herr<lb/>
Baron, — ein Wort, im Voruͤbergehen vernommen,<lb/>
genuͤgt, ihn zuruͤckzukehren, er bietet ſeine Dienſte an,<lb/>
er bezahlt die Note, ſchenkt dem Traͤger einen Napo-<lb/>
leon, nennt ihn einen impertinenten Schurken, reicht<lb/>
Baͤrbchen den Arm, bringt ſie bis hierher, nennt drin-<lb/>
gend befragt fluͤchtig ſeinen Namen und entzieht ſich<lb/>
unſerm Danke. Heute aber bemuͤht er ſich, uns die<lb/>
erſte Viſite zu ſchenken! — Das heiß’ ich einen wah-<lb/>
ren Gentleman!</p><lb/><p>Waͤhrend dieſer Rede, die Anton nicht mit anzu-<lb/>
hoͤren brauchte, weil der Jnhalt derſelben ſchon auf<lb/>ſeinem Regiſter ſtand, wiederholte er ſich die ganze<lb/>
Aufgabe im Gedaͤchtniß; und da er auf den fuͤnften<lb/>
Paragraphen der Jnſtruktion ſtieß, welcher ausdruͤck-<lb/>
lich lautet: „bisweilen deutſch reden, doch nur gebro-<lb/>
chen,“ nahm er alſogleich im ſchoͤnſten gebrochenſten<lb/>
Franzoͤſiſch-Deutſch das Wort, Herrn van der Helfft<lb/>
zu verſichern, er ſei gekommen, nicht um ſich danken<lb/>
zu laſſen fuͤr eine Kleinigkeit, die ſich ja von ſelbſt<lb/>
verſtehe, ſondern lediglich, um nicht den Anſchein zu<lb/>
geben, als wolle er zoͤgern, ſeine Auslage wieder zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[295/0297]
„Erſt kein Geld bei ſich haben? Dann ſeine eigene
Wohnung nicht wiſſen? Fort zum Kommiſſair!“
Jn dieſem ſchrecklichen Moment erſcheint der Herr
Baron, — ein Wort, im Voruͤbergehen vernommen,
genuͤgt, ihn zuruͤckzukehren, er bietet ſeine Dienſte an,
er bezahlt die Note, ſchenkt dem Traͤger einen Napo-
leon, nennt ihn einen impertinenten Schurken, reicht
Baͤrbchen den Arm, bringt ſie bis hierher, nennt drin-
gend befragt fluͤchtig ſeinen Namen und entzieht ſich
unſerm Danke. Heute aber bemuͤht er ſich, uns die
erſte Viſite zu ſchenken! — Das heiß’ ich einen wah-
ren Gentleman!
Waͤhrend dieſer Rede, die Anton nicht mit anzu-
hoͤren brauchte, weil der Jnhalt derſelben ſchon auf
ſeinem Regiſter ſtand, wiederholte er ſich die ganze
Aufgabe im Gedaͤchtniß; und da er auf den fuͤnften
Paragraphen der Jnſtruktion ſtieß, welcher ausdruͤck-
lich lautet: „bisweilen deutſch reden, doch nur gebro-
chen,“ nahm er alſogleich im ſchoͤnſten gebrochenſten
Franzoͤſiſch-Deutſch das Wort, Herrn van der Helfft
zu verſichern, er ſei gekommen, nicht um ſich danken
zu laſſen fuͤr eine Kleinigkeit, die ſich ja von ſelbſt
verſtehe, ſondern lediglich, um nicht den Anſchein zu
geben, als wolle er zoͤgern, ſeine Auslage wieder zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/297>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.