Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nern präsidirte. Sie verstand, was bei ihrem Her-
kommen überrascht und für ihren Verstand Zeugniß
giebt, mit sicherem Takte zu verhindern, daß die Tisch-
gespräche der Herren aus dem Zweideutigen in's Un-
zweideutige übergingen. Was ihr aber den meisten
Spaß machte und woran sie ein, ich möchte sagen
teuflisches Vergnügen fand, waren Bekenntnisse der
Spieler; schaamlose Enthüllungen ihrer Finten,
Ränke und Verbrechen. Anton glaubte zu bemerken,
daß sie diese frechen Anpreisungen schnöder List und
Betrügerei deshalb so gern vernahm, weil sie dadurch
in ihrem verachtenden Hasse gegen Theodor und
dessen Umgebungen bestärkt, weil sie gewissermaßen
dazu berechtiget wurde. Bisweilen entsetzte er sich bis
zum Abscheu vor einem Wesen, welches, alle Weib-
lichkeit verhöhnend, denjenigen haßt, betrügt, zu
Grunde zu richten strebt, dem es fortdauernd treue
Liebe und Anhänglichkeit heucheln muß und kann;
-- dann wieder regte die Naturwidrigkeit dieses Ver-
hältnisses und seine eigene Stellung in demselben
einen zwar krankhaften, doch eben darum desto unwi-
derstehlicheren Sinnen- und Seelenreiz in ihm auf,
der ihn mit immer neu erwachender unersättlicher
Leidenschaft der Frevlerin verfallen ließ.

Die Vagabunden. II. 20

nern praͤſidirte. Sie verſtand, was bei ihrem Her-
kommen uͤberraſcht und fuͤr ihren Verſtand Zeugniß
giebt, mit ſicherem Takte zu verhindern, daß die Tiſch-
geſpraͤche der Herren aus dem Zweideutigen in’s Un-
zweideutige uͤbergingen. Was ihr aber den meiſten
Spaß machte und woran ſie ein, ich moͤchte ſagen
teufliſches Vergnuͤgen fand, waren Bekenntniſſe der
Spieler; ſchaamloſe Enthuͤllungen ihrer Finten,
Raͤnke und Verbrechen. Anton glaubte zu bemerken,
daß ſie dieſe frechen Anpreiſungen ſchnoͤder Liſt und
Betruͤgerei deshalb ſo gern vernahm, weil ſie dadurch
in ihrem verachtenden Haſſe gegen Theodor und
deſſen Umgebungen beſtaͤrkt, weil ſie gewiſſermaßen
dazu berechtiget wurde. Bisweilen entſetzte er ſich bis
zum Abſcheu vor einem Weſen, welches, alle Weib-
lichkeit verhoͤhnend, denjenigen haßt, betruͤgt, zu
Grunde zu richten ſtrebt, dem es fortdauernd treue
Liebe und Anhaͤnglichkeit heucheln muß und kann;
— dann wieder regte die Naturwidrigkeit dieſes Ver-
haͤltniſſes und ſeine eigene Stellung in demſelben
einen zwar krankhaften, doch eben darum deſto unwi-
derſtehlicheren Sinnen- und Seelenreiz in ihm auf,
der ihn mit immer neu erwachender unerſaͤttlicher
Leidenſchaft der Frevlerin verfallen ließ.

Die Vagabunden. II. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0307" n="305"/>
nern pra&#x0364;&#x017F;idirte. Sie ver&#x017F;tand, was bei ihrem Her-<lb/>
kommen u&#x0364;berra&#x017F;cht und fu&#x0364;r ihren Ver&#x017F;tand Zeugniß<lb/>
giebt, mit &#x017F;icherem Takte zu verhindern, daß die Ti&#x017F;ch-<lb/>
ge&#x017F;pra&#x0364;che der Herren aus dem Zweideutigen in&#x2019;s Un-<lb/>
zweideutige u&#x0364;bergingen. Was ihr aber den mei&#x017F;ten<lb/>
Spaß machte und woran &#x017F;ie ein, ich mo&#x0364;chte &#x017F;agen<lb/>
teufli&#x017F;ches Vergnu&#x0364;gen fand, waren Bekenntni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Spieler; &#x017F;chaamlo&#x017F;e Enthu&#x0364;llungen ihrer Finten,<lb/>
Ra&#x0364;nke und Verbrechen. Anton glaubte zu bemerken,<lb/>
daß &#x017F;ie die&#x017F;e frechen Anprei&#x017F;ungen &#x017F;chno&#x0364;der Li&#x017F;t und<lb/>
Betru&#x0364;gerei deshalb &#x017F;o gern vernahm, weil &#x017F;ie dadurch<lb/>
in ihrem verachtenden Ha&#x017F;&#x017F;e gegen Theodor und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Umgebungen be&#x017F;ta&#x0364;rkt, weil &#x017F;ie gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
dazu berechtiget wurde. Bisweilen ent&#x017F;etzte er &#x017F;ich bis<lb/>
zum Ab&#x017F;cheu vor einem We&#x017F;en, welches, alle Weib-<lb/>
lichkeit verho&#x0364;hnend, denjenigen haßt, betru&#x0364;gt, zu<lb/>
Grunde zu richten &#x017F;trebt, dem es fortdauernd treue<lb/>
Liebe und Anha&#x0364;nglichkeit heucheln muß und kann;<lb/>
&#x2014; dann wieder regte die Naturwidrigkeit die&#x017F;es Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es und &#x017F;eine eigene Stellung in dem&#x017F;elben<lb/>
einen zwar krankhaften, doch eben darum de&#x017F;to unwi-<lb/>
der&#x017F;tehlicheren Sinnen- und Seelenreiz in ihm auf,<lb/>
der ihn mit immer neu erwachender uner&#x017F;a&#x0364;ttlicher<lb/>
Leiden&#x017F;chaft der Frevlerin verfallen ließ.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">II.</hi> 20</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0307] nern praͤſidirte. Sie verſtand, was bei ihrem Her- kommen uͤberraſcht und fuͤr ihren Verſtand Zeugniß giebt, mit ſicherem Takte zu verhindern, daß die Tiſch- geſpraͤche der Herren aus dem Zweideutigen in’s Un- zweideutige uͤbergingen. Was ihr aber den meiſten Spaß machte und woran ſie ein, ich moͤchte ſagen teufliſches Vergnuͤgen fand, waren Bekenntniſſe der Spieler; ſchaamloſe Enthuͤllungen ihrer Finten, Raͤnke und Verbrechen. Anton glaubte zu bemerken, daß ſie dieſe frechen Anpreiſungen ſchnoͤder Liſt und Betruͤgerei deshalb ſo gern vernahm, weil ſie dadurch in ihrem verachtenden Haſſe gegen Theodor und deſſen Umgebungen beſtaͤrkt, weil ſie gewiſſermaßen dazu berechtiget wurde. Bisweilen entſetzte er ſich bis zum Abſcheu vor einem Weſen, welches, alle Weib- lichkeit verhoͤhnend, denjenigen haßt, betruͤgt, zu Grunde zu richten ſtrebt, dem es fortdauernd treue Liebe und Anhaͤnglichkeit heucheln muß und kann; — dann wieder regte die Naturwidrigkeit dieſes Ver- haͤltniſſes und ſeine eigene Stellung in demſelben einen zwar krankhaften, doch eben darum deſto unwi- derſtehlicheren Sinnen- und Seelenreiz in ihm auf, der ihn mit immer neu erwachender unerſaͤttlicher Leidenſchaft der Frevlerin verfallen ließ. Die Vagabunden. II. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/307
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/307>, abgerufen am 22.05.2024.