Sogleich sicherte er sich eine kleine Loge, zog Bär- bel in's Jnteresse; verschwieg ihr nicht, welche jugend- lich-beseligenden Träume von Onkel Nasus und dessen Weinlaube sich für ihn mit Carino verknüpften und beschwur sie, diese unschuldige Freude ihm nicht zu mißgönnen.
Bei "Onkel Nasus" brach die Unbändige in fre- ches Jubelgeschrei aus, da sie des schwarzen Pflasters auf dessen rothe Nase geklebt, dachte; doch mitten im gellendsten Hohngelächter hielt sie inne und schwieg nachdenklich; wahrscheinlich weil ihr damali- ger Gefährte, der schwarze Wolfgang, ihr in den Sinn kam. Von diesem reden, nur sein Angedenken bei Bärbel rege machen, hieß so viel, als sie für einige Minuten sanft und nachgiebig stimmen. Sie willigte ein. Theodor, der Musikhasser, ward zur Oper gezwungen.
Othello's Auftreten erschütterte Anton. Der An- blick des Afrikaners versetzte ihn neben Vlämert, Käthchen, führte ihn im Geiste unter jene Schaar lebloser Menschengesichter, die er so lange gehegt, gepflegt, abgestäubt, ein- und ausgepackt, vor denen er sich bis zum letzten Tage gefürchtet hatte. Er konnte nicht umhin, die Veränderung zu beseufzen,
Sogleich ſicherte er ſich eine kleine Loge, zog Baͤr- bel in’s Jntereſſe; verſchwieg ihr nicht, welche jugend- lich-beſeligenden Traͤume von Onkel Naſus und deſſen Weinlaube ſich fuͤr ihn mit Carino verknuͤpften und beſchwur ſie, dieſe unſchuldige Freude ihm nicht zu mißgoͤnnen.
Bei „Onkel Naſus“ brach die Unbaͤndige in fre- ches Jubelgeſchrei aus, da ſie des ſchwarzen Pflaſters auf deſſen rothe Naſe geklebt, dachte; doch mitten im gellendſten Hohngelaͤchter hielt ſie inne und ſchwieg nachdenklich; wahrſcheinlich weil ihr damali- ger Gefaͤhrte, der ſchwarze Wolfgang, ihr in den Sinn kam. Von dieſem reden, nur ſein Angedenken bei Baͤrbel rege machen, hieß ſo viel, als ſie fuͤr einige Minuten ſanft und nachgiebig ſtimmen. Sie willigte ein. Theodor, der Muſikhaſſer, ward zur Oper gezwungen.
Othello’s Auftreten erſchuͤtterte Anton. Der An- blick des Afrikaners verſetzte ihn neben Vlaͤmert, Kaͤthchen, fuͤhrte ihn im Geiſte unter jene Schaar lebloſer Menſchengeſichter, die er ſo lange gehegt, gepflegt, abgeſtaͤubt, ein- und ausgepackt, vor denen er ſich bis zum letzten Tage gefuͤrchtet hatte. Er konnte nicht umhin, die Veraͤnderung zu beſeufzen,
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Sogleich ſicherte er ſich eine kleine Loge, zog Baͤr-
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lich-beſeligenden Traͤume von Onkel Naſus und
deſſen Weinlaube ſich fuͤr ihn mit Carino verknuͤpften
und beſchwur ſie, dieſe unſchuldige Freude ihm nicht
zu mißgoͤnnen.
Bei „Onkel Naſus“ brach die Unbaͤndige in fre-
ches Jubelgeſchrei aus, da ſie des ſchwarzen Pflaſters
auf deſſen rothe Naſe geklebt, dachte; doch mitten
im gellendſten Hohngelaͤchter hielt ſie inne und
ſchwieg nachdenklich; wahrſcheinlich weil ihr damali-
ger Gefaͤhrte, der ſchwarze Wolfgang, ihr in den
Sinn kam. Von dieſem reden, nur ſein Angedenken
bei Baͤrbel rege machen, hieß ſo viel, als ſie fuͤr einige
Minuten ſanft und nachgiebig ſtimmen. Sie willigte
ein. Theodor, der Muſikhaſſer, ward zur Oper
gezwungen.
Othello’s Auftreten erſchuͤtterte Anton. Der An-
blick des Afrikaners verſetzte ihn neben Vlaͤmert,
Kaͤthchen, fuͤhrte ihn im Geiſte unter jene Schaar
lebloſer Menſchengeſichter, die er ſo lange gehegt,
gepflegt, abgeſtaͤubt, ein- und ausgepackt, vor denen
er ſich bis zum letzten Tage gefuͤrchtet hatte. Er
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/316>, abgerufen am 25.11.2024.
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