diese riefen nach einem Arzte und der Arzt, zufällig als Zuschauer bei der Hand, erklärte dem herbeige- holten Direktor, Herr Antoine sei fieberhaft aufge- regt, es scheine wünschenswerth, daß man ihn vom Reiten freilasse. Das Programm des Abends wurde schnell geändert, eine andere Nummer eingeschoben. Laura erbot sich, Anton zu geleiten, was dieser ent- schieden abwies, mit der unwahren Versicherung, er kenne ähnliche Anfälle schon von früher, brauche nichts als Ruhe und werde morgen frisch und munter sein. Man besorgte ihm einen Wagen und er verließ den Cirkus.
Der Anfall dauerte wirklich gar nicht lange. Die Tropfen die der Arzt ihm verschrieben wirkten zauber- haft. Nach Verlauf einer Stunde fühlte sich der Kranke gesund, -- bis auf jenes Leiden, welches kein Arzt zu heilen versteht. Wie körperlich erleichtert, so fand er sich geistig unter desto schwererem Drucke. Die Eifersucht führt, ihrem höllischen Ursprunge gemäß, den Gräuel mit sich, daß sie bereits erkaltete, gleich gültig-gewordene Herzen mit Flammenqualen martert, welche der Leidende für neu-auflodernde Liebe hält, während sie doch nur vom Neide ange- facht werden, von Mißgunst, Selbstsucht, Eitelkeit;
dieſe riefen nach einem Arzte und der Arzt, zufaͤllig als Zuſchauer bei der Hand, erklaͤrte dem herbeige- holten Direktor, Herr Antoine ſei fieberhaft aufge- regt, es ſcheine wuͤnſchenswerth, daß man ihn vom Reiten freilaſſe. Das Programm des Abends wurde ſchnell geaͤndert, eine andere Nummer eingeſchoben. Laura erbot ſich, Anton zu geleiten, was dieſer ent- ſchieden abwies, mit der unwahren Verſicherung, er kenne aͤhnliche Anfaͤlle ſchon von fruͤher, brauche nichts als Ruhe und werde morgen friſch und munter ſein. Man beſorgte ihm einen Wagen und er verließ den Cirkus.
Der Anfall dauerte wirklich gar nicht lange. Die Tropfen die der Arzt ihm verſchrieben wirkten zauber- haft. Nach Verlauf einer Stunde fuͤhlte ſich der Kranke geſund, — bis auf jenes Leiden, welches kein Arzt zu heilen verſteht. Wie koͤrperlich erleichtert, ſo fand er ſich geiſtig unter deſto ſchwererem Drucke. Die Eiferſucht fuͤhrt, ihrem hoͤlliſchen Urſprunge gemaͤß, den Graͤuel mit ſich, daß ſie bereits erkaltete, gleich guͤltig-gewordene Herzen mit Flammenqualen martert, welche der Leidende fuͤr neu-auflodernde Liebe haͤlt, waͤhrend ſie doch nur vom Neide ange- facht werden, von Mißgunſt, Selbſtſucht, Eitelkeit;
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0050"n="48"/>
dieſe riefen nach einem Arzte und der Arzt, zufaͤllig<lb/>
als Zuſchauer bei der Hand, erklaͤrte dem herbeige-<lb/>
holten Direktor, Herr Antoine ſei fieberhaft aufge-<lb/>
regt, es ſcheine wuͤnſchenswerth, daß man ihn vom<lb/>
Reiten freilaſſe. Das Programm des Abends wurde<lb/>ſchnell geaͤndert, eine andere Nummer eingeſchoben.<lb/>
Laura erbot ſich, Anton zu geleiten, was dieſer ent-<lb/>ſchieden abwies, mit der unwahren Verſicherung, er<lb/>
kenne aͤhnliche Anfaͤlle ſchon von fruͤher, brauche<lb/>
nichts als Ruhe und werde morgen friſch und munter<lb/>ſein. Man beſorgte ihm einen Wagen und er verließ<lb/>
den Cirkus.</p><lb/><p>Der Anfall dauerte wirklich gar nicht lange. Die<lb/>
Tropfen die der Arzt ihm verſchrieben wirkten zauber-<lb/>
haft. Nach Verlauf einer Stunde fuͤhlte ſich der<lb/>
Kranke geſund, — bis auf jenes Leiden, welches kein<lb/>
Arzt zu heilen verſteht. Wie koͤrperlich erleichtert, ſo<lb/>
fand er ſich geiſtig unter deſto ſchwererem Drucke.<lb/>
Die Eiferſucht fuͤhrt, ihrem hoͤlliſchen Urſprunge<lb/>
gemaͤß, den Graͤuel mit ſich, daß ſie bereits erkaltete,<lb/>
gleich guͤltig-gewordene Herzen mit Flammenqualen<lb/>
martert, welche der Leidende fuͤr neu-auflodernde<lb/>
Liebe haͤlt, waͤhrend ſie doch nur vom Neide ange-<lb/>
facht werden, von Mißgunſt, Selbſtſucht, Eitelkeit;<lb/></p></div></body></text></TEI>
[48/0050]
dieſe riefen nach einem Arzte und der Arzt, zufaͤllig
als Zuſchauer bei der Hand, erklaͤrte dem herbeige-
holten Direktor, Herr Antoine ſei fieberhaft aufge-
regt, es ſcheine wuͤnſchenswerth, daß man ihn vom
Reiten freilaſſe. Das Programm des Abends wurde
ſchnell geaͤndert, eine andere Nummer eingeſchoben.
Laura erbot ſich, Anton zu geleiten, was dieſer ent-
ſchieden abwies, mit der unwahren Verſicherung, er
kenne aͤhnliche Anfaͤlle ſchon von fruͤher, brauche
nichts als Ruhe und werde morgen friſch und munter
ſein. Man beſorgte ihm einen Wagen und er verließ
den Cirkus.
Der Anfall dauerte wirklich gar nicht lange. Die
Tropfen die der Arzt ihm verſchrieben wirkten zauber-
haft. Nach Verlauf einer Stunde fuͤhlte ſich der
Kranke geſund, — bis auf jenes Leiden, welches kein
Arzt zu heilen verſteht. Wie koͤrperlich erleichtert, ſo
fand er ſich geiſtig unter deſto ſchwererem Drucke.
Die Eiferſucht fuͤhrt, ihrem hoͤlliſchen Urſprunge
gemaͤß, den Graͤuel mit ſich, daß ſie bereits erkaltete,
gleich guͤltig-gewordene Herzen mit Flammenqualen
martert, welche der Leidende fuͤr neu-auflodernde
Liebe haͤlt, waͤhrend ſie doch nur vom Neide ange-
facht werden, von Mißgunſt, Selbſtſucht, Eitelkeit;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/50>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.