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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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tenem Wohllaut war; sie sind abgereiset, und mir
hat Guillaume Urlaub gegeben, bis wir Beide ihn
einholen können. Er hat für diese Zeit Felix und
dessen Frau aufgenommen; wissen Sie, die bei
Gautier waren. Der Mann springt die Bänder und
sie nimmt in der Carriere vier Schnupftücher mit den
Zähnen vom Boden: wenig Schule, doch viel Bra-
vour; es ist eben nur für unterdeß.

"Aber Jhre Gagen, Adele?" fuhr Anton fort, der
sie dabei forschend anblickte. "Zahlt er Jhnen für
dieses Jnterim Jhre vollen Gagen?" -- Und nach-
dem einmal der Geldpunkt berührt war, schrak er
heftig zusammen, bei dem Gedanken an seine eigene
Kasse. Er war seither daran gewöhnt aus dem
Vollen zu leben; Laura hatte ihm niemals Zeit
gelassen, zu überlegen, wer ihre beiderseitigen nicht
geringen Ausgaben decke. Er für seine Person empfing
ja, so lang' er Eleve hieß, nicht das Geringste; hatte
kontraktmäßig keine Forderung zu machen. Von
was lebte er denn jetzt? Wer bestritt die Kosten seiner
Existenz, seiner Krankheit? Wovon sollte er ferner leben?

Adele las in seinen Gesichtszügen welche peini-
genden Gedanken ihm wie Schlangen die Brust
durchwühlten. Sie gerieth in furchtbare Angst, daß
sein Zustand sich dadurch verschlimmern werde. Aber

tenem Wohllaut war; ſie ſind abgereiſet, und mir
hat Guillaume Urlaub gegeben, bis wir Beide ihn
einholen koͤnnen. Er hat fuͤr dieſe Zeit Felix und
deſſen Frau aufgenommen; wiſſen Sie, die bei
Gautier waren. Der Mann ſpringt die Baͤnder und
ſie nimmt in der Carrière vier Schnupftuͤcher mit den
Zaͤhnen vom Boden: wenig Schule, doch viel Bra-
vour; es iſt eben nur fuͤr unterdeß.

„Aber Jhre Gagen, Adele?“ fuhr Anton fort, der
ſie dabei forſchend anblickte. „Zahlt er Jhnen fuͤr
dieſes Jnterim Jhre vollen Gagen?“ — Und nach-
dem einmal der Geldpunkt beruͤhrt war, ſchrak er
heftig zuſammen, bei dem Gedanken an ſeine eigene
Kaſſe. Er war ſeither daran gewoͤhnt aus dem
Vollen zu leben; Laura hatte ihm niemals Zeit
gelaſſen, zu uͤberlegen, wer ihre beiderſeitigen nicht
geringen Ausgaben decke. Er fuͤr ſeine Perſon empfing
ja, ſo lang’ er Eleve hieß, nicht das Geringſte; hatte
kontraktmaͤßig keine Forderung zu machen. Von
was lebte er denn jetzt? Wer beſtritt die Koſten ſeiner
Exiſtenz, ſeiner Krankheit? Wovon ſollte er ferner leben?

Adele las in ſeinen Geſichtszuͤgen welche peini-
genden Gedanken ihm wie Schlangen die Bruſt
durchwuͤhlten. Sie gerieth in furchtbare Angſt, daß
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[62/0064] tenem Wohllaut war; ſie ſind abgereiſet, und mir hat Guillaume Urlaub gegeben, bis wir Beide ihn einholen koͤnnen. Er hat fuͤr dieſe Zeit Felix und deſſen Frau aufgenommen; wiſſen Sie, die bei Gautier waren. Der Mann ſpringt die Baͤnder und ſie nimmt in der Carrière vier Schnupftuͤcher mit den Zaͤhnen vom Boden: wenig Schule, doch viel Bra- vour; es iſt eben nur fuͤr unterdeß. „Aber Jhre Gagen, Adele?“ fuhr Anton fort, der ſie dabei forſchend anblickte. „Zahlt er Jhnen fuͤr dieſes Jnterim Jhre vollen Gagen?“ — Und nach- dem einmal der Geldpunkt beruͤhrt war, ſchrak er heftig zuſammen, bei dem Gedanken an ſeine eigene Kaſſe. Er war ſeither daran gewoͤhnt aus dem Vollen zu leben; Laura hatte ihm niemals Zeit gelaſſen, zu uͤberlegen, wer ihre beiderſeitigen nicht geringen Ausgaben decke. Er fuͤr ſeine Perſon empfing ja, ſo lang’ er Eleve hieß, nicht das Geringſte; hatte kontraktmaͤßig keine Forderung zu machen. Von was lebte er denn jetzt? Wer beſtritt die Koſten ſeiner Exiſtenz, ſeiner Krankheit? Wovon ſollte er ferner leben? Adele las in ſeinen Geſichtszuͤgen welche peini- genden Gedanken ihm wie Schlangen die Bruſt durchwuͤhlten. Sie gerieth in furchtbare Angſt, daß ſein Zuſtand ſich dadurch verſchlimmern werde. Aber

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/64>, abgerufen am 27.11.2024.