Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

davon getragen. Dieses, bei anderen Schauspielern
auf häufigen Wechsel, neue Stücke, verschiedenartige
Charaktere erpicht, habe für die Leistungen dieses
Schafpudels eine so kindliche Pietät, daß es nicht
müde werde, ihn stets nur in einer und derselben
Rolle zu bewundern; daß es ihm zu Gefallen sogar
den menschlichen Appendix von heiserem Mörder und
edler Mutter sich gefallen lasse, weil es in letzteren
die zweibeinigen Pflege-Eltern des vierbeinigen Mei-
sters verehre.

Kann es etwas Unbegreiflicheres auf Erden geben,
als dies sogenannte Publikum?

"Und dann," -- so fügte der gesprächige Haus-
knecht des Gasthofes zum Elephanten hinzu, -- "dann
müssen Sie auch bedenken, was für Krabalen der
Hund auszustehen gehabt, bis er auf unserm Hof-
theater spielen durfte! Das war erschrecklich! Der
Direktor hat sich mit Händen und Füßen dagegen
gestemmt. Durchaus wollt' er's dem armen Vieh
nicht vergönnen. Aber die Schauspieler, die mit dem
Hunde reisen, haben sich hinter die Madame J.
gesteckt, die ist gut mit unserm Gnädigsten und die
hat es glücklich durchgesetzt. Nu' hat der Hunde-
feind die Direktion niedergelegt! Als ob das ein

davon getragen. Dieſes, bei anderen Schauſpielern
auf haͤufigen Wechſel, neue Stuͤcke, verſchiedenartige
Charaktere erpicht, habe fuͤr die Leiſtungen dieſes
Schafpudels eine ſo kindliche Pietaͤt, daß es nicht
muͤde werde, ihn ſtets nur in einer und derſelben
Rolle zu bewundern; daß es ihm zu Gefallen ſogar
den menſchlichen Appendix von heiſerem Moͤrder und
edler Mutter ſich gefallen laſſe, weil es in letzteren
die zweibeinigen Pflege-Eltern des vierbeinigen Mei-
ſters verehre.

Kann es etwas Unbegreiflicheres auf Erden geben,
als dies ſogenannte Publikum?

„Und dann,“ — ſo fuͤgte der geſpraͤchige Haus-
knecht des Gaſthofes zum Elephanten hinzu, — „dann
muͤſſen Sie auch bedenken, was fuͤr Krabalen der
Hund auszuſtehen gehabt, bis er auf unſerm Hof-
theater ſpielen durfte! Das war erſchrecklich! Der
Direktor hat ſich mit Haͤnden und Fuͤßen dagegen
geſtemmt. Durchaus wollt’ er’s dem armen Vieh
nicht vergoͤnnen. Aber die Schauſpieler, die mit dem
Hunde reiſen, haben ſich hinter die Madame J.
geſteckt, die iſt gut mit unſerm Gnaͤdigſten und die
hat es gluͤcklich durchgeſetzt. Nu’ hat der Hunde-
feind die Direktion niedergelegt! Als ob das ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="140"/>
davon getragen. Die&#x017F;es, bei anderen Schau&#x017F;pielern<lb/>
auf ha&#x0364;ufigen Wech&#x017F;el, neue Stu&#x0364;cke, ver&#x017F;chiedenartige<lb/>
Charaktere erpicht, habe fu&#x0364;r die Lei&#x017F;tungen die&#x017F;es<lb/>
Schafpudels eine &#x017F;o kindliche Pieta&#x0364;t, daß es nicht<lb/>
mu&#x0364;de werde, ihn &#x017F;tets nur in einer und der&#x017F;elben<lb/>
Rolle zu bewundern; daß es <hi rendition="#g">ihm</hi> zu Gefallen &#x017F;ogar<lb/>
den men&#x017F;chlichen Appendix von hei&#x017F;erem Mo&#x0364;rder und<lb/>
edler Mutter &#x017F;ich gefallen la&#x017F;&#x017F;e, weil es in letzteren<lb/>
die zweibeinigen Pflege-Eltern des vierbeinigen Mei-<lb/>
&#x017F;ters verehre.</p><lb/>
        <p>Kann es etwas Unbegreiflicheres auf Erden geben,<lb/>
als dies &#x017F;ogenannte Publikum?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dann,&#x201C; &#x2014; &#x017F;o fu&#x0364;gte der ge&#x017F;pra&#x0364;chige Haus-<lb/>
knecht des Ga&#x017F;thofes zum Elephanten hinzu, &#x2014; &#x201E;dann<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie auch bedenken, was fu&#x0364;r Krabalen der<lb/>
Hund auszu&#x017F;tehen gehabt, bis er auf un&#x017F;erm Hof-<lb/>
theater &#x017F;pielen durfte! Das war er&#x017F;chrecklich! Der<lb/>
Direktor hat &#x017F;ich mit Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;ßen dagegen<lb/>
ge&#x017F;temmt. Durchaus wollt&#x2019; er&#x2019;s dem armen Vieh<lb/>
nicht vergo&#x0364;nnen. Aber die Schau&#x017F;pieler, die mit dem<lb/>
Hunde rei&#x017F;en, haben &#x017F;ich hinter die Madame J.<lb/>
ge&#x017F;teckt, die i&#x017F;t gut mit un&#x017F;erm Gna&#x0364;dig&#x017F;ten und die<lb/>
hat es glu&#x0364;cklich durchge&#x017F;etzt. Nu&#x2019; hat der Hunde-<lb/>
feind die Direktion niedergelegt! Als ob das ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0144] davon getragen. Dieſes, bei anderen Schauſpielern auf haͤufigen Wechſel, neue Stuͤcke, verſchiedenartige Charaktere erpicht, habe fuͤr die Leiſtungen dieſes Schafpudels eine ſo kindliche Pietaͤt, daß es nicht muͤde werde, ihn ſtets nur in einer und derſelben Rolle zu bewundern; daß es ihm zu Gefallen ſogar den menſchlichen Appendix von heiſerem Moͤrder und edler Mutter ſich gefallen laſſe, weil es in letzteren die zweibeinigen Pflege-Eltern des vierbeinigen Mei- ſters verehre. Kann es etwas Unbegreiflicheres auf Erden geben, als dies ſogenannte Publikum? „Und dann,“ — ſo fuͤgte der geſpraͤchige Haus- knecht des Gaſthofes zum Elephanten hinzu, — „dann muͤſſen Sie auch bedenken, was fuͤr Krabalen der Hund auszuſtehen gehabt, bis er auf unſerm Hof- theater ſpielen durfte! Das war erſchrecklich! Der Direktor hat ſich mit Haͤnden und Fuͤßen dagegen geſtemmt. Durchaus wollt’ er’s dem armen Vieh nicht vergoͤnnen. Aber die Schauſpieler, die mit dem Hunde reiſen, haben ſich hinter die Madame J. geſteckt, die iſt gut mit unſerm Gnaͤdigſten und die hat es gluͤcklich durchgeſetzt. Nu’ hat der Hunde- feind die Direktion niedergelegt! Als ob das ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/144
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/144>, abgerufen am 26.05.2024.