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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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gen Mörder, zerreiße ihm den Rock!" -- Hier sprang
Anton vom dreibeinigen Kanapee auf, nahm seinen
Reisestock zur Hand und wollte schon durch kräftigen
Fußtritt jene Thüre sprengen, welche ihn vom Schau-
platz eines blutigen Verbrechens trennte, als ein
freundliches: "Bravo, mein Hundchen!" ertönte, so-
dann harmonisches Geklapper von Tellern und Löffeln
erklang und, -- wie es schien -- Hund, Dame, Mör-
der sich fröhlich und guter Dinge zum Speisen begaben.

"Heute hat er's vortrefflich gemacht; heute soll
er ein großes Stück Fleisch haben!" Diese ver-
söhnlichen Worte entquollen, -- zwischen jedem ein
Löffel voll Suppe als Gedankenstrich, -- dem heise-
ren Munde des Mörders.

Jn Anton ging das Bewußtsein auf, abermals
mit "Seinesgleichen" in Berührung zu gerathen.
Er wendete sich fragend an die Dienstboten des Hau-
ses und erfuhr, daß sein Nachbar niemand anderes
sei, als der auf Kunstreisen begriffene, berühmte Hund
des Aubri de Montdidier, der die renomirtesten, auf
Gastrollen umherreisenden Schauspieler in vielen
Dingen übertreffe, vorzüglich aber in dem Triumpfe,
welchen seine Kunst über die verwöhnte, verände-
rungsssüchtige Masse des schaulustigen Publikums

gen Moͤrder, zerreiße ihm den Rock!“ — Hier ſprang
Anton vom dreibeinigen Kanapee auf, nahm ſeinen
Reiſeſtock zur Hand und wollte ſchon durch kraͤftigen
Fußtritt jene Thuͤre ſprengen, welche ihn vom Schau-
platz eines blutigen Verbrechens trennte, als ein
freundliches: „Bravo, mein Hundchen!“ ertoͤnte, ſo-
dann harmoniſches Geklapper von Tellern und Loͤffeln
erklang und, — wie es ſchien — Hund, Dame, Moͤr-
der ſich froͤhlich und guter Dinge zum Speiſen begaben.

„Heute hat er’s vortrefflich gemacht; heute ſoll
er ein großes Stuͤck Fleiſch haben!“ Dieſe ver-
ſoͤhnlichen Worte entquollen, — zwiſchen jedem ein
Loͤffel voll Suppe als Gedankenſtrich, — dem heiſe-
ren Munde des Moͤrders.

Jn Anton ging das Bewußtſein auf, abermals
mit „Seinesgleichen“ in Beruͤhrung zu gerathen.
Er wendete ſich fragend an die Dienſtboten des Hau-
ſes und erfuhr, daß ſein Nachbar niemand anderes
ſei, als der auf Kunſtreiſen begriffene, beruͤhmte Hund
des Aubri de Montdidier, der die renomirteſten, auf
Gaſtrollen umherreiſenden Schauſpieler in vielen
Dingen uͤbertreffe, vorzuͤglich aber in dem Triumpfe,
welchen ſeine Kunſt uͤber die verwoͤhnte, veraͤnde-
rungsſſuͤchtige Maſſe des ſchauluſtigen Publikums

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[139/0143] gen Moͤrder, zerreiße ihm den Rock!“ — Hier ſprang Anton vom dreibeinigen Kanapee auf, nahm ſeinen Reiſeſtock zur Hand und wollte ſchon durch kraͤftigen Fußtritt jene Thuͤre ſprengen, welche ihn vom Schau- platz eines blutigen Verbrechens trennte, als ein freundliches: „Bravo, mein Hundchen!“ ertoͤnte, ſo- dann harmoniſches Geklapper von Tellern und Loͤffeln erklang und, — wie es ſchien — Hund, Dame, Moͤr- der ſich froͤhlich und guter Dinge zum Speiſen begaben. „Heute hat er’s vortrefflich gemacht; heute ſoll er ein großes Stuͤck Fleiſch haben!“ Dieſe ver- ſoͤhnlichen Worte entquollen, — zwiſchen jedem ein Loͤffel voll Suppe als Gedankenſtrich, — dem heiſe- ren Munde des Moͤrders. Jn Anton ging das Bewußtſein auf, abermals mit „Seinesgleichen“ in Beruͤhrung zu gerathen. Er wendete ſich fragend an die Dienſtboten des Hau- ſes und erfuhr, daß ſein Nachbar niemand anderes ſei, als der auf Kunſtreiſen begriffene, beruͤhmte Hund des Aubri de Montdidier, der die renomirteſten, auf Gaſtrollen umherreiſenden Schauſpieler in vielen Dingen uͤbertreffe, vorzuͤglich aber in dem Triumpfe, welchen ſeine Kunſt uͤber die verwoͤhnte, veraͤnde- rungsſſuͤchtige Maſſe des ſchauluſtigen Publikums

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/143>, abgerufen am 19.05.2024.