verlassen, darf mich wirklich rühmen, einen Lebens- wandel geführt zu haben, und obenein nach gewöhn- lichen Begriffen, einen schlechten. Aber wenn ich mich ehrlich frage, ob ich schlecht dabei geworden bin, darf ich eben so ehrlich antworten: noch nicht! Doch will ich auch nicht ableugnen, daß es die höchste Zeit wäre, dem Dinge ein Ende zu machen; sonst steh' ich für nichts. Mir ist um's Herz, als wäre nun der Wende- punkt erreicht: nur noch ein Jahr bis zur Volljäh- rigkeit!? Dann soll der ganze Mann da stehen! Ach, und ich komme mir so oft noch wie ein Junge vor! Und wenn ich an Adelheid denke, wie ein recht dum- mer Junge!
"Wau wau!" machte jetzt im anstoßenden Nebenzimmer eine derbe Hundestimme, wie wenn sie den dummen Jungen bestätigen wollte. Dann folg- ten weibliche Schmeicheltöne, die wieder mit allerlei Drohworten abwechselten; hernach lies eine heisere Männerstimme sich vernehmen, die abscheuliche Schmähungen gegen Gott und Menschen ausstieß; dazwischen erklang die Weiberstimme, zornig, im höchsten Affekt, und rief: "Pack' ihn, greif' ihn, mein Thierchen; so schön! An der Brust! Besser! Schüttle ihn! Wirf ihn zu Boden, den niederträchti-
verlaſſen, darf mich wirklich ruͤhmen, einen Lebens- wandel gefuͤhrt zu haben, und obenein nach gewoͤhn- lichen Begriffen, einen ſchlechten. Aber wenn ich mich ehrlich frage, ob ich ſchlecht dabei geworden bin, darf ich eben ſo ehrlich antworten: noch nicht! Doch will ich auch nicht ableugnen, daß es die hoͤchſte Zeit waͤre, dem Dinge ein Ende zu machen; ſonſt ſteh’ ich fuͤr nichts. Mir iſt um’s Herz, als waͤre nun der Wende- punkt erreicht: nur noch ein Jahr bis zur Volljaͤh- rigkeit!? Dann ſoll der ganze Mann da ſtehen! Ach, und ich komme mir ſo oft noch wie ein Junge vor! Und wenn ich an Adelheid denke, wie ein recht dum- mer Junge!
„Wau wau!“ machte jetzt im anſtoßenden Nebenzimmer eine derbe Hundeſtimme, wie wenn ſie den dummen Jungen beſtaͤtigen wollte. Dann folg- ten weibliche Schmeicheltoͤne, die wieder mit allerlei Drohworten abwechſelten; hernach lies eine heiſere Maͤnnerſtimme ſich vernehmen, die abſcheuliche Schmaͤhungen gegen Gott und Menſchen ausſtieß; dazwiſchen erklang die Weiberſtimme, zornig, im hoͤchſten Affekt, und rief: „Pack’ ihn, greif’ ihn, mein Thierchen; ſo ſchoͤn! An der Bruſt! Beſſer! Schuͤttle ihn! Wirf ihn zu Boden, den niedertraͤchti-
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verlaſſen, darf mich wirklich ruͤhmen, einen Lebens-
wandel gefuͤhrt zu haben, und obenein nach gewoͤhn-
lichen Begriffen, einen ſchlechten. Aber wenn ich mich
ehrlich frage, ob ich ſchlecht dabei geworden bin, darf
ich eben ſo ehrlich antworten: noch nicht! Doch will
ich auch nicht ableugnen, daß es die hoͤchſte Zeit waͤre,
dem Dinge ein Ende zu machen; ſonſt ſteh’ ich fuͤr
nichts. Mir iſt um’s Herz, als waͤre nun der Wende-
punkt erreicht: nur noch ein Jahr bis zur Volljaͤh-
rigkeit!? Dann ſoll der ganze Mann da ſtehen! Ach,
und ich komme mir ſo oft noch wie ein Junge vor!
Und wenn ich an Adelheid denke, wie ein recht dum-
mer Junge!
„Wau wau!“ machte jetzt im anſtoßenden
Nebenzimmer eine derbe Hundeſtimme, wie wenn ſie
den dummen Jungen beſtaͤtigen wollte. Dann folg-
ten weibliche Schmeicheltoͤne, die wieder mit allerlei
Drohworten abwechſelten; hernach lies eine heiſere
Maͤnnerſtimme ſich vernehmen, die abſcheuliche
Schmaͤhungen gegen Gott und Menſchen ausſtieß;
dazwiſchen erklang die Weiberſtimme, zornig, im
hoͤchſten Affekt, und rief: „Pack’ ihn, greif’ ihn,
mein Thierchen; ſo ſchoͤn! An der Bruſt! Beſſer!
Schuͤttle ihn! Wirf ihn zu Boden, den niedertraͤchti-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/142>, abgerufen am 19.05.2024.
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