Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Und nun, keinen Abschied, keine Schwäche mehr; ich
will stark sein im Tode; sei Du's im Leben! Wenn
ich kalt bin, streife diesen Ring von meinem Finger
und trag' ihn, bis Du Dich mit Hedwig verbindest.
Dann mag sie ihn tragen. Denn sie wird Deine
Gattin, Anton! obgleich Du Dich von diesem Ort
entfernen mußt, sobald ich begraben bin, -- ich, und
jener da, der mir bald folgen wird. Sieh'st Du,
wie stumpf und verloren er vor sich hinbrütet? Gönn'
ihm für seine letzten Stunden mitleidige Fürsorge;
um meinetwillen!! Was ich für Dich niedergeschrie-
ben ... liegt in meinem hölzernen Koffer, ... noch
andere Papiere dabei, die für Dich von Wichtigkeit
sind ... gieb mir die Hand .... ich danke Dir! Jch
segne Dich! Fluche nicht Deiner ......."

Sie schwieg. Anton beugte sich zu ihrem Munde,
um weiter zu hören. Sie redete nichts mehr. Jmmer
fester umschloß sie mit ihren zuckenden Fingern seine
Hand; -- immer schwächer wurden ihre Athemzüge; ...
noch ein tiefer, wehklagender Seufzer ...

Und er lösete seine Finger aus denen des Leich-
nam's, mit denen sie sich verschlungen hatten, trat
von der Seite zu Füßen des Lagers, blickte das ver-
fallene Angesicht theilnehmend an .... und wie ein

Und nun, keinen Abſchied, keine Schwaͤche mehr; ich
will ſtark ſein im Tode; ſei Du’s im Leben! Wenn
ich kalt bin, ſtreife dieſen Ring von meinem Finger
und trag’ ihn, bis Du Dich mit Hedwig verbindeſt.
Dann mag ſie ihn tragen. Denn ſie wird Deine
Gattin, Anton! obgleich Du Dich von dieſem Ort
entfernen mußt, ſobald ich begraben bin, — ich, und
jener da, der mir bald folgen wird. Sieh’ſt Du,
wie ſtumpf und verloren er vor ſich hinbruͤtet? Goͤnn’
ihm fuͤr ſeine letzten Stunden mitleidige Fuͤrſorge;
um meinetwillen!! Was ich fuͤr Dich niedergeſchrie-
ben ... liegt in meinem hoͤlzernen Koffer, ... noch
andere Papiere dabei, die fuͤr Dich von Wichtigkeit
ſind ... gieb mir die Hand .... ich danke Dir! Jch
ſegne Dich! Fluche nicht Deiner .......“

Sie ſchwieg. Anton beugte ſich zu ihrem Munde,
um weiter zu hoͤren. Sie redete nichts mehr. Jmmer
feſter umſchloß ſie mit ihren zuckenden Fingern ſeine
Hand; — immer ſchwaͤcher wurden ihre Athemzuͤge; ...
noch ein tiefer, wehklagender Seufzer ...

Und er loͤſete ſeine Finger aus denen des Leich-
nam’s, mit denen ſie ſich verſchlungen hatten, trat
von der Seite zu Fuͤßen des Lagers, blickte das ver-
fallene Angeſicht theilnehmend an .... und wie ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0217" n="213"/>
Und nun, keinen Ab&#x017F;chied, keine Schwa&#x0364;che mehr; ich<lb/>
will &#x017F;tark &#x017F;ein im Tode; &#x017F;ei Du&#x2019;s im Leben! Wenn<lb/>
ich kalt bin, &#x017F;treife die&#x017F;en Ring von meinem Finger<lb/>
und trag&#x2019; ihn, bis Du Dich mit Hedwig verbinde&#x017F;t.<lb/>
Dann mag <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> ihn tragen. Denn &#x017F;ie wird Deine<lb/>
Gattin, Anton! obgleich Du Dich von die&#x017F;em Ort<lb/>
entfernen mußt, &#x017F;obald ich begraben bin, &#x2014; ich, und<lb/>
jener da, der mir bald folgen wird. Sieh&#x2019;&#x017F;t Du,<lb/>
wie &#x017F;tumpf und verloren er vor &#x017F;ich hinbru&#x0364;tet? Go&#x0364;nn&#x2019;<lb/>
ihm fu&#x0364;r &#x017F;eine letzten Stunden mitleidige Fu&#x0364;r&#x017F;orge;<lb/>
um meinetwillen!! Was ich fu&#x0364;r Dich niederge&#x017F;chrie-<lb/>
ben ... liegt in meinem ho&#x0364;lzernen Koffer, ... noch<lb/>
andere Papiere dabei, die fu&#x0364;r Dich von Wichtigkeit<lb/>
&#x017F;ind ... gieb mir die Hand .... ich danke Dir! Jch<lb/>
&#x017F;egne Dich! Fluche nicht Deiner .......&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;chwieg. Anton beugte &#x017F;ich zu ihrem Munde,<lb/>
um weiter zu ho&#x0364;ren. Sie redete nichts mehr. Jmmer<lb/>
fe&#x017F;ter um&#x017F;chloß &#x017F;ie mit ihren zuckenden Fingern &#x017F;eine<lb/>
Hand; &#x2014; immer &#x017F;chwa&#x0364;cher wurden ihre Athemzu&#x0364;ge; ...<lb/>
noch ein tiefer, wehklagender Seufzer ...</p><lb/>
        <p>Und er lo&#x0364;&#x017F;ete &#x017F;eine Finger aus denen des Leich-<lb/>
nam&#x2019;s, mit denen &#x017F;ie &#x017F;ich ver&#x017F;chlungen hatten, trat<lb/>
von der Seite zu Fu&#x0364;ßen des Lagers, blickte das ver-<lb/>
fallene Ange&#x017F;icht theilnehmend an .... und wie ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0217] Und nun, keinen Abſchied, keine Schwaͤche mehr; ich will ſtark ſein im Tode; ſei Du’s im Leben! Wenn ich kalt bin, ſtreife dieſen Ring von meinem Finger und trag’ ihn, bis Du Dich mit Hedwig verbindeſt. Dann mag ſie ihn tragen. Denn ſie wird Deine Gattin, Anton! obgleich Du Dich von dieſem Ort entfernen mußt, ſobald ich begraben bin, — ich, und jener da, der mir bald folgen wird. Sieh’ſt Du, wie ſtumpf und verloren er vor ſich hinbruͤtet? Goͤnn’ ihm fuͤr ſeine letzten Stunden mitleidige Fuͤrſorge; um meinetwillen!! Was ich fuͤr Dich niedergeſchrie- ben ... liegt in meinem hoͤlzernen Koffer, ... noch andere Papiere dabei, die fuͤr Dich von Wichtigkeit ſind ... gieb mir die Hand .... ich danke Dir! Jch ſegne Dich! Fluche nicht Deiner .......“ Sie ſchwieg. Anton beugte ſich zu ihrem Munde, um weiter zu hoͤren. Sie redete nichts mehr. Jmmer feſter umſchloß ſie mit ihren zuckenden Fingern ſeine Hand; — immer ſchwaͤcher wurden ihre Athemzuͤge; ... noch ein tiefer, wehklagender Seufzer ... Und er loͤſete ſeine Finger aus denen des Leich- nam’s, mit denen ſie ſich verſchlungen hatten, trat von der Seite zu Fuͤßen des Lagers, blickte das ver- fallene Angeſicht theilnehmend an .... und wie ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/217
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/217>, abgerufen am 04.12.2024.