warten und zu pflegen, mit welchem im vertraulichen Umgang zu stehen ich mich so stolz fühle, als ob eine ägyptische Pyramide meine eigene leibliche Mutter sei! Der Besitzer dieses höheren Wesens auf vier Beinen ist mit Blindheit geschlagen, erklärt sich bereit, für elende zehntausend Pfund Sterling es her- zugeben. Befand ich mich in der Lage der Madame Simonelli, welche dazumal als kinderlose Hausfrau in Londons Gassen umherirrete, eine neue Familie suchend, zum Ersatz für jene, die das Feuer ihr geraubt, so würde ich dieses Thieres Besitz erstrebt haben, es hätte mein werden müssen, und hätte ich sollen die zehntausend Pfund a zwanzig Prozent von der Krone England ausleihen, oder beim alten Rothschild ein- brechen, oder den Lord Mayor in einer Schildkröten- Suppe ersäufen. Sie jedoch, Madame Simonelli, für welche zehntausend Pfund Sterling so viel sind, wie für mich zehn Pfund Virginia-Kanaster, -- was thut sie? Sie verschmäht meinen Rath, verlacht mein Flehen, nennt mich einen sentimentalen Fanfaron, einen Jean cul! Du bist ein Fantast, ruft sie mich an; wie könnt' ich mein und meiner Tochter Vermö- gen an das Leben eines einzigen Jndividuums wagen? Wenn es stürbe, wär' ich eine Bettlerin! -- So
warten und zu pflegen, mit welchem im vertraulichen Umgang zu ſtehen ich mich ſo ſtolz fuͤhle, als ob eine aͤgyptiſche Pyramide meine eigene leibliche Mutter ſei! Der Beſitzer dieſes hoͤheren Weſens auf vier Beinen iſt mit Blindheit geſchlagen, erklaͤrt ſich bereit, fuͤr elende zehntauſend Pfund Sterling es her- zugeben. Befand ich mich in der Lage der Madame Simonelli, welche dazumal als kinderloſe Hausfrau in Londons Gaſſen umherirrete, eine neue Familie ſuchend, zum Erſatz fuͤr jene, die das Feuer ihr geraubt, ſo wuͤrde ich dieſes Thieres Beſitz erſtrebt haben, es haͤtte mein werden muͤſſen, und haͤtte ich ſollen die zehntauſend Pfund à zwanzig Prozent von der Krone England ausleihen, oder beim alten Rothſchild ein- brechen, oder den Lord Mayor in einer Schildkroͤten- Suppe erſaͤufen. Sie jedoch, Madame Simonelli, fuͤr welche zehntauſend Pfund Sterling ſo viel ſind, wie fuͤr mich zehn Pfund Virginia-Kanaſter, — was thut ſie? Sie verſchmaͤht meinen Rath, verlacht mein Flehen, nennt mich einen ſentimentalen Fanfaron, einen Jean cul! Du biſt ein Fantaſt, ruft ſie mich an; wie koͤnnt’ ich mein und meiner Tochter Vermoͤ- gen an das Leben eines einzigen Jndividuums wagen? Wenn es ſtuͤrbe, waͤr’ ich eine Bettlerin! — So
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warten und zu pflegen, mit welchem im vertraulichen
Umgang zu ſtehen ich mich ſo ſtolz fuͤhle, als ob eine
aͤgyptiſche Pyramide meine eigene leibliche Mutter
ſei! Der Beſitzer dieſes hoͤheren Weſens auf vier
Beinen iſt mit Blindheit geſchlagen, erklaͤrt ſich
bereit, fuͤr elende zehntauſend Pfund Sterling es her-
zugeben. Befand ich mich in der Lage der Madame
Simonelli, welche dazumal als kinderloſe Hausfrau
in Londons Gaſſen umherirrete, eine neue Familie
ſuchend, zum Erſatz fuͤr jene, die das Feuer ihr geraubt,
ſo wuͤrde ich dieſes Thieres Beſitz erſtrebt haben, es
haͤtte mein werden muͤſſen, und haͤtte ich ſollen die
zehntauſend Pfund à zwanzig Prozent von der Krone
England ausleihen, oder beim alten Rothſchild ein-
brechen, oder den Lord Mayor in einer Schildkroͤten-
Suppe erſaͤufen. Sie jedoch, Madame Simonelli,
fuͤr welche zehntauſend Pfund Sterling ſo viel ſind,
wie fuͤr mich zehn Pfund Virginia-Kanaſter, — was
thut ſie? Sie verſchmaͤht meinen Rath, verlacht mein
Flehen, nennt mich einen ſentimentalen Fanfaron,
einen Jean cul! Du biſt ein Fantaſt, ruft ſie mich
an; wie koͤnnt’ ich mein und meiner Tochter Vermoͤ-
gen an das Leben eines einzigen Jndividuums wagen?
Wenn es ſtuͤrbe, waͤr’ ich eine Bettlerin! — So
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/36>, abgerufen am 04.12.2024.
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