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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Geronimo, Anton und der philharmonische Vor-
städter begaben sich mit einander nach dem Konzerte.
Der Vorstädter hatte seinen Bratenrock angelegt.
Geronimo sah aus, wie ein Handwerksmann von
gröberem Zuschnitt, -- so zwischen Schmied und
Zimmermann, -- der sich sonntäglich geputzt. Anton
dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reisekleid.

Dem scharf geübten Auge Geronimo's entging
dieser Unterschied nicht. Er machte den Vorstädter
aufmerksam darauf, während dieser an seiner Seite
hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her-
keuchte:

"Was meint Jhr zu meinem Burschen? habt Jhr
dergleichen schon gesehen in unserem Gewerbe? Für
was haltet Jhr ihn?"

Jch halte ihn, erwiederte der Vorstädter, für einen
Engländer; was sie einen Lord nennen, der die Wette
einging, so und so lange als Knecht bei einem Kameel-
treiber zu dienen. Wenn die Zeit um ist und er hat
seine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein,
und Diener mit Haarbeuteln, und er ist wieder ein
Lord. Man müßte sie nicht kennen, diese Engländer!
Sie sind alle toll.

"Aber er ist kein Engländer; er ist ein Deutscher."

Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor-
ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte.
Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt.
Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von
groͤberem Zuſchnitt, — ſo zwiſchen Schmied und
Zimmermann, — der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton
dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid.

Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging
dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter
aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite
hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her-
keuchte:

„Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr
dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr
was haltet Jhr ihn?“

Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen
Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette
einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel-
treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat
ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein,
und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein
Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder!
Sie ſind alle toll.

„Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.“

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[73/0077] Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor- ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte. Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt. Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von groͤberem Zuſchnitt, — ſo zwiſchen Schmied und Zimmermann, — der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid. Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her- keuchte: „Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr was haltet Jhr ihn?“ Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel- treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein, und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder! Sie ſind alle toll. „Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.“

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/77>, abgerufen am 18.05.2024.