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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Warum den Herrschaften hier zum Gegenstande des
Spottes dienen? Wer Jhnen gegenüber Muth und
Hoffnung in sich fühlt, Jhnen nachzufolgen, muß
entweder ein eitler Narr sein, -- oder ein Genie, wie
Lipinski. Daß ich dies letztere nicht sein sollte, lag
im Willen des Schöpfers. Daß ich mich nicht wie
ein Narr gebehrde, liegt in meinem eigenen Willen.
Deshalb empfangen Sie Dank für Jhre Großmuth
-- und leben Sie wohl."

Anton ging.

Ein vielstimmiges "Bravo, Bravissimo!" folgte
dem Knechte des Kameeltreibers Geronimo.



Geronimo kam aus dem Stalle, woselbst er seinen
Kameelen einige Pfund Heu vorgeworfen, gerade zu
rechter Zeit in's Gastzimmer, um zu verhindern, daß
Anton. seine Violine vernichte. Jn einer Art von
wahnsinniger Schwärmerei hatte unser Freund noch
einmal das Liedchen von den drei Reitern darauf
gespielt; beim letzten Tone warf er die Vertraute sei-
ner Leiden zur Erde. Schon erhob er den Fuß, sie
zu zertreten, da öffnete Geronimo die Thüre, stieß ihn
zurück, hob die Geige auf, untersuchte aufmerksam bei

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Warum den Herrſchaften hier zum Gegenſtande des
Spottes dienen? Wer Jhnen gegenuͤber Muth und
Hoffnung in ſich fuͤhlt, Jhnen nachzufolgen, muß
entweder ein eitler Narr ſein, — oder ein Genie, wie
Lipinski. Daß ich dies letztere nicht ſein ſollte, lag
im Willen des Schoͤpfers. Daß ich mich nicht wie
ein Narr gebehrde, liegt in meinem eigenen Willen.
Deshalb empfangen Sie Dank fuͤr Jhre Großmuth
— und leben Sie wohl.“

Anton ging.

Ein vielſtimmiges „Bravo, Braviſſimo!“ folgte
dem Knechte des Kameeltreibers Geronimo.



Geronimo kam aus dem Stalle, woſelbſt er ſeinen
Kameelen einige Pfund Heu vorgeworfen, gerade zu
rechter Zeit in’s Gaſtzimmer, um zu verhindern, daß
Anton. ſeine Violine vernichte. Jn einer Art von
wahnſinniger Schwaͤrmerei hatte unſer Freund noch
einmal das Liedchen von den drei Reitern darauf
geſpielt; beim letzten Tone warf er die Vertraute ſei-
ner Leiden zur Erde. Schon erhob er den Fuß, ſie
zu zertreten, da oͤffnete Geronimo die Thuͤre, ſtieß ihn
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[83/0087] Warum den Herrſchaften hier zum Gegenſtande des Spottes dienen? Wer Jhnen gegenuͤber Muth und Hoffnung in ſich fuͤhlt, Jhnen nachzufolgen, muß entweder ein eitler Narr ſein, — oder ein Genie, wie Lipinski. Daß ich dies letztere nicht ſein ſollte, lag im Willen des Schoͤpfers. Daß ich mich nicht wie ein Narr gebehrde, liegt in meinem eigenen Willen. Deshalb empfangen Sie Dank fuͤr Jhre Großmuth — und leben Sie wohl.“ Anton ging. Ein vielſtimmiges „Bravo, Braviſſimo!“ folgte dem Knechte des Kameeltreibers Geronimo. Geronimo kam aus dem Stalle, woſelbſt er ſeinen Kameelen einige Pfund Heu vorgeworfen, gerade zu rechter Zeit in’s Gaſtzimmer, um zu verhindern, daß Anton. ſeine Violine vernichte. Jn einer Art von wahnſinniger Schwaͤrmerei hatte unſer Freund noch einmal das Liedchen von den drei Reitern darauf geſpielt; beim letzten Tone warf er die Vertraute ſei- ner Leiden zur Erde. Schon erhob er den Fuß, ſie zu zertreten, da oͤffnete Geronimo die Thuͤre, ſtieß ihn zuruͤck, hob die Geige auf, unterſuchte aufmerkſam bei 6*

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/87>, abgerufen am 04.12.2024.