Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.mein Gemahl ist todt -- ich stehe allein. Du bist mein Gemahl iſt todt — ich ſtehe allein. Du biſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="107"/> mein <hi rendition="#g">Gemahl</hi> iſt todt — ich ſtehe allein. Du biſt<lb/> des Verſtorbenen Kind, biſt das Kind eines ungluͤck-<lb/> lichen Weibes, welches ſterbend Dich an mein Herz<lb/> legte: Du biſt mein Sohn. Als ſolcher mußt Du<lb/> wiſſen, was geſchehen iſt, ſeitdem Du Deinen Vater<lb/> zum Erſtenmale — zum Letztenmale geſehen; mußt<lb/> wiſſen, welches furchtbare Geſchick uͤber uns herein-<lb/> gebrochen; mußt Deinen Theil des Ungluͤcks auf<lb/> Dich nehmen und tragen, wie er Dir gebuͤhrt; mußt<lb/> erfahren, warum ich der Welt und ihrem Geraͤuſch<lb/> entſagend, mich in tiefe Zuruͤckgezogenheit begeben<lb/> und dort nur <hi rendition="#g">Gott, mir</hi> und <hi rendition="#g">guten Werken</hi> leben<lb/> will. Als Du Deinen Vater verlaſſen, brach zwi-<lb/> ſchen ihm und ſeinem ehelichen, — meinem Sohne,<lb/> ein graͤßlicher, unkindlicher Zwiſt aus. Graf Louis<lb/> war ein ungerathener, ein herzloſer Sohn. Jch,<lb/> ſeine Mutter, ſage das. Jndem ich es <hi rendition="#g">Dir</hi> ſage,<lb/> bricht mein Herz. Aber ich verſchweige nichts, denn<lb/> zwiſchen uns darf kein Geheimniß walten, Anton!<lb/> Seines Vaters Nachſicht hatte ihn verdorben, ihn<lb/> zum fruͤh-gereiften, fruͤh-verlorenen Knaben werden<lb/> laſſen. Meine Gegenwirkungen blieben ohne Kraft,<lb/> ohne Erfolg. Doch waͤr’ es unmoͤglich, daß irrege-<lb/> leitete vaͤterliche Liebe und Schwaͤche einen ſolchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0111]
mein Gemahl iſt todt — ich ſtehe allein. Du biſt
des Verſtorbenen Kind, biſt das Kind eines ungluͤck-
lichen Weibes, welches ſterbend Dich an mein Herz
legte: Du biſt mein Sohn. Als ſolcher mußt Du
wiſſen, was geſchehen iſt, ſeitdem Du Deinen Vater
zum Erſtenmale — zum Letztenmale geſehen; mußt
wiſſen, welches furchtbare Geſchick uͤber uns herein-
gebrochen; mußt Deinen Theil des Ungluͤcks auf
Dich nehmen und tragen, wie er Dir gebuͤhrt; mußt
erfahren, warum ich der Welt und ihrem Geraͤuſch
entſagend, mich in tiefe Zuruͤckgezogenheit begeben
und dort nur Gott, mir und guten Werken leben
will. Als Du Deinen Vater verlaſſen, brach zwi-
ſchen ihm und ſeinem ehelichen, — meinem Sohne,
ein graͤßlicher, unkindlicher Zwiſt aus. Graf Louis
war ein ungerathener, ein herzloſer Sohn. Jch,
ſeine Mutter, ſage das. Jndem ich es Dir ſage,
bricht mein Herz. Aber ich verſchweige nichts, denn
zwiſchen uns darf kein Geheimniß walten, Anton!
Seines Vaters Nachſicht hatte ihn verdorben, ihn
zum fruͤh-gereiften, fruͤh-verlorenen Knaben werden
laſſen. Meine Gegenwirkungen blieben ohne Kraft,
ohne Erfolg. Doch waͤr’ es unmoͤglich, daß irrege-
leitete vaͤterliche Liebe und Schwaͤche einen ſolchen
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