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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Verwalter eilten, dies empfindend, zu ihren Berufs-
geschäften und nahmen natürlich die Frauen mit.

Anton blieb wieder allein, den Nachklängen die-
ser peinlichen Unterhaltung anheim gegeben. Er ging
länger als eine Stunde auf und ab, die großen
Räume mit großen Schritten durchmessend; bald
sprach er laut, bald versank er in Sinnen, dann riß
er die Fenster auf und starrte in's Grüne; endlich lief
er hinaus in die Wilde-Wein-Laube, stellte sich auf
den Fleck wo er vor Carino gegeigt, blickte nach der
Hausthür, hinter welcher sie stand als sie ihm die
Kußhand nachschickte; sodann begab er sich wieder in
sein Wohnzimmer, warf sich in einen Lehnstuhl, be-
deckte sein Gesicht mit den Händen und seufzte laut:
ach, daß doch Gräfin Julia hier wäre; daß ich mit
ihr sprechen, daß ich ihre Meinung hören könnte!
Die Schwestern erwarten's. Sie erwarten's mit
grollendem Neide, aber gerade, daß sie diesen nicht
verbergen konnten, daß sie mir ihn zeigten, zeigt mir
auch meine Pflicht. Jch habe sie geliebt; sie liebt
mich noch. Sie lebt ja nur dieser Liebe. Jn mei-
nem Hause wohnt sie, verkehrt mit keiner Seele, die
ausgestopfte Turteltaube ist ihr Umgang, der Käfig,
den ich geflochten, ihr Altar, meine kindischen Verse

Verwalter eilten, dies empfindend, zu ihren Berufs-
geſchaͤften und nahmen natuͤrlich die Frauen mit.

Anton blieb wieder allein, den Nachklaͤngen die-
ſer peinlichen Unterhaltung anheim gegeben. Er ging
laͤnger als eine Stunde auf und ab, die großen
Raͤume mit großen Schritten durchmeſſend; bald
ſprach er laut, bald verſank er in Sinnen, dann riß
er die Fenſter auf und ſtarrte in’s Gruͤne; endlich lief
er hinaus in die Wilde-Wein-Laube, ſtellte ſich auf
den Fleck wo er vor Carino gegeigt, blickte nach der
Hausthuͤr, hinter welcher ſie ſtand als ſie ihm die
Kußhand nachſchickte; ſodann begab er ſich wieder in
ſein Wohnzimmer, warf ſich in einen Lehnſtuhl, be-
deckte ſein Geſicht mit den Haͤnden und ſeufzte laut:
ach, daß doch Graͤfin Julia hier waͤre; daß ich mit
ihr ſprechen, daß ich ihre Meinung hoͤren koͤnnte!
Die Schweſtern erwarten’s. Sie erwarten’s mit
grollendem Neide, aber gerade, daß ſie dieſen nicht
verbergen konnten, daß ſie mir ihn zeigten, zeigt mir
auch meine Pflicht. Jch habe ſie geliebt; ſie liebt
mich noch. Sie lebt ja nur dieſer Liebe. Jn mei-
nem Hauſe wohnt ſie, verkehrt mit keiner Seele, die
ausgeſtopfte Turteltaube iſt ihr Umgang, der Kaͤfig,
den ich geflochten, ihr Altar, meine kindiſchen Verſe

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[116/0120] Verwalter eilten, dies empfindend, zu ihren Berufs- geſchaͤften und nahmen natuͤrlich die Frauen mit. Anton blieb wieder allein, den Nachklaͤngen die- ſer peinlichen Unterhaltung anheim gegeben. Er ging laͤnger als eine Stunde auf und ab, die großen Raͤume mit großen Schritten durchmeſſend; bald ſprach er laut, bald verſank er in Sinnen, dann riß er die Fenſter auf und ſtarrte in’s Gruͤne; endlich lief er hinaus in die Wilde-Wein-Laube, ſtellte ſich auf den Fleck wo er vor Carino gegeigt, blickte nach der Hausthuͤr, hinter welcher ſie ſtand als ſie ihm die Kußhand nachſchickte; ſodann begab er ſich wieder in ſein Wohnzimmer, warf ſich in einen Lehnſtuhl, be- deckte ſein Geſicht mit den Haͤnden und ſeufzte laut: ach, daß doch Graͤfin Julia hier waͤre; daß ich mit ihr ſprechen, daß ich ihre Meinung hoͤren koͤnnte! Die Schweſtern erwarten’s. Sie erwarten’s mit grollendem Neide, aber gerade, daß ſie dieſen nicht verbergen konnten, daß ſie mir ihn zeigten, zeigt mir auch meine Pflicht. Jch habe ſie geliebt; ſie liebt mich noch. Sie lebt ja nur dieſer Liebe. Jn mei- nem Hauſe wohnt ſie, verkehrt mit keiner Seele, die ausgeſtopfte Turteltaube iſt ihr Umgang, der Kaͤfig, den ich geflochten, ihr Altar, meine kindiſchen Verſe

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/120>, abgerufen am 25.11.2024.