Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.Hedwig liebte Anton wie ihre erste, ihre täglich Hedwig liebte Anton wie ihre erſte, ihre taͤglich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0162" n="158"/> <p>Hedwig liebte Anton wie ihre erſte, ihre taͤglich<lb/> zunehmende, ihre letzte Liebe; wie nur ein junges<lb/> Weib lieben kann, dem das Gluͤck zu Theil wurde,<lb/> den Jnbegriff ihrer unſchuldigſten, jungfraͤulichſten<lb/> Neigung und Sehnſucht im Gatten umarmen zu<lb/> duͤrfen. Wenn ſolche Liebe, ſolche Anhaͤnglichkeit<lb/> uͤberhaupt jemals erloͤſchen <hi rendition="#g">kann,</hi> ſo darf man bei-<lb/> nahe mit Gewißheit annehmen, der Gemahl habe ſie<lb/> durch <hi rendition="#g">ſeine</hi> Schuld erſtickt. Was aber Anton haͤtte<lb/> anwenden muͤſſen, um <hi rendition="#g">Hedwig’s</hi> Herz, Gemuͤth<lb/> und Seele von ſich abzuwenden, das weiß ich wirk-<lb/> lich gar nicht; meine Phantaſie iſt zu duͤrftig, Moͤg-<lb/> lichkeiten dafuͤr auszuſinnen. Dennoch zweifelte der<lb/> in ſeinen Anſpruͤchen unerſaͤttliche Honig-Mond-ſuͤch-<lb/> tige bisweilen an der begehrten Ausſchließlichkeit die-<lb/> ſes Beſitzes, weil die Geliebte ſich durch keine<lb/> Gewalt ehelicher Liebe von Erfuͤllung kindlicher<lb/> Pflichten abhalten ließ. Aus dieſen Zweifeln ging<lb/> eine kleine Eiferſucht hervor; eine ganz kleine, junge,<lb/> niedliche, mit welcher Hedwig ſpielend fertig wurde,<lb/> weil eiñ Wort von ihr, ein Blick genuͤgten, das<lb/> Scheuſaͤlchen in die Flucht zu ſchlagen, in den Win-<lb/> kel zu treiben, wo es ſich verbergen mußte, und eben<lb/> nur ſo viel Macht behielt, der gluͤhend’ſten Zaͤrtlich-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0162]
Hedwig liebte Anton wie ihre erſte, ihre taͤglich
zunehmende, ihre letzte Liebe; wie nur ein junges
Weib lieben kann, dem das Gluͤck zu Theil wurde,
den Jnbegriff ihrer unſchuldigſten, jungfraͤulichſten
Neigung und Sehnſucht im Gatten umarmen zu
duͤrfen. Wenn ſolche Liebe, ſolche Anhaͤnglichkeit
uͤberhaupt jemals erloͤſchen kann, ſo darf man bei-
nahe mit Gewißheit annehmen, der Gemahl habe ſie
durch ſeine Schuld erſtickt. Was aber Anton haͤtte
anwenden muͤſſen, um Hedwig’s Herz, Gemuͤth
und Seele von ſich abzuwenden, das weiß ich wirk-
lich gar nicht; meine Phantaſie iſt zu duͤrftig, Moͤg-
lichkeiten dafuͤr auszuſinnen. Dennoch zweifelte der
in ſeinen Anſpruͤchen unerſaͤttliche Honig-Mond-ſuͤch-
tige bisweilen an der begehrten Ausſchließlichkeit die-
ſes Beſitzes, weil die Geliebte ſich durch keine
Gewalt ehelicher Liebe von Erfuͤllung kindlicher
Pflichten abhalten ließ. Aus dieſen Zweifeln ging
eine kleine Eiferſucht hervor; eine ganz kleine, junge,
niedliche, mit welcher Hedwig ſpielend fertig wurde,
weil eiñ Wort von ihr, ein Blick genuͤgten, das
Scheuſaͤlchen in die Flucht zu ſchlagen, in den Win-
kel zu treiben, wo es ſich verbergen mußte, und eben
nur ſo viel Macht behielt, der gluͤhend’ſten Zaͤrtlich-
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