Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.daß er uns verließ, darf ich beklagen; nur zu danken daß er uns verließ, darf ich beklagen; nur zu danken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="164"/> daß er uns verließ, darf ich beklagen; nur zu danken<lb/> haben wir, daß er uns noch ſo lange geliehen ward!<lb/> Daß mein Kind das Licht dieſer Sonne nicht erblickte,<lb/> iſt die natuͤrliche Folge von Hedwigs kindlicher Liebe;<lb/> ſie befindet ſich wieder wohl und wird kuͤnftig auch<lb/> eine begluͤckte Mutter ſein. Jch bin reich, unabhaͤn-<lb/> gig, jung, kann Gutes ſchaffen in meinem Wirkungs-<lb/> kreiſe; die Bewohner von Liebenau haben mich gern;<lb/> ich liebe meine Frau, meine Frau liebt mich .... was<lb/><hi rendition="#g">kann</hi> mir denn fehlen? — Wie, wenn es die Frei-<lb/> heit waͤre? „Nun hab’ ich Dich allein! Wende Dich<lb/> niemals von mir!“ Gewiß, ſie hat Recht: ſie iſt mein<lb/> ſchoͤnes, gutes, treues Weib; ſie hat Recht, von mir<lb/> Treue zu fordern, bis uͤber’s Grab! — Und doch,<lb/> wie wenn es der Bedanke waͤre, ſo unaufloͤslich gefeſ-<lb/> ſelt zu ſein, der mich beunruhigte? Es waͤre ſchreck-<lb/> lich, dennoch iſt es nicht unmoͤglich. Jch war elend,<lb/> das iſt richtig; ein armſeliger, umhergeworfener Vaga-<lb/> bund! Jch ſehnte mich nach Ruhe, nach einer Hei-<lb/> math. Nun hab’ ich beides, hab’ es in uͤberreich-<lb/> lichem, jeden Wunſch uͤberſteigendem Maaße; ....<lb/> und nun entbehr’ ich, was mich damals quaͤlte, jene<lb/> Freiheit der Armuth, deren Heimath die ganze große<lb/> Erde heißt!? <hi rendition="#aq">Vie errante, est chose enivrante!</hi><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0168]
daß er uns verließ, darf ich beklagen; nur zu danken
haben wir, daß er uns noch ſo lange geliehen ward!
Daß mein Kind das Licht dieſer Sonne nicht erblickte,
iſt die natuͤrliche Folge von Hedwigs kindlicher Liebe;
ſie befindet ſich wieder wohl und wird kuͤnftig auch
eine begluͤckte Mutter ſein. Jch bin reich, unabhaͤn-
gig, jung, kann Gutes ſchaffen in meinem Wirkungs-
kreiſe; die Bewohner von Liebenau haben mich gern;
ich liebe meine Frau, meine Frau liebt mich .... was
kann mir denn fehlen? — Wie, wenn es die Frei-
heit waͤre? „Nun hab’ ich Dich allein! Wende Dich
niemals von mir!“ Gewiß, ſie hat Recht: ſie iſt mein
ſchoͤnes, gutes, treues Weib; ſie hat Recht, von mir
Treue zu fordern, bis uͤber’s Grab! — Und doch,
wie wenn es der Bedanke waͤre, ſo unaufloͤslich gefeſ-
ſelt zu ſein, der mich beunruhigte? Es waͤre ſchreck-
lich, dennoch iſt es nicht unmoͤglich. Jch war elend,
das iſt richtig; ein armſeliger, umhergeworfener Vaga-
bund! Jch ſehnte mich nach Ruhe, nach einer Hei-
math. Nun hab’ ich beides, hab’ es in uͤberreich-
lichem, jeden Wunſch uͤberſteigendem Maaße; ....
und nun entbehr’ ich, was mich damals quaͤlte, jene
Freiheit der Armuth, deren Heimath die ganze große
Erde heißt!? Vie errante, est chose enivrante!
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