Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberfluß, Liebe, Glück und Dank, eine Sehnsucht in
mir nach jenem einsamen Elend?

Es ist keine Frage: ich bin ein Narr!

Aber Schkramprl hat wohl Recht, daß er sich
nicht fixiren, daß er umherlaufen will, so lange seine
langen Beine ihn tragen.

Man ist nicht umsonst Vagabund gewesen."


"Heute hat es ein Aergerniß mit meinem Herrn
Förster gegeben und das hat mir gut gethan: es hat
mich aus dem Reich meiner haltlosen Träume zur
unangenehmen Wirklichkeit herabgezwungen. Zum
Erstenmale, seitdem ich im Besitz stehe, hab' ich den
Herrn gezeigt. Der Mensch ist entlassen und da seine
Vernachlässigungen, vielleicht Betrügereien, auch nicht
einen Tag fortdauern dürfen, schon des Beispiels
wegen, so hab' ich ihm sein Quartal auszahlen und
die Amtswohnung heute noch räumen lassen. Seinen
Dienst werd' ich, bis ein Anderer eintritt, selbst ver-
sehen. Vielleicht gefällt mir die winterliche Abend-
stille in unseren Räumen besser, wenn ich sie mir durch
einen Tag im tiefen Schnee des Waldes errungen
habe. Vielleicht hören meine Gedanken auf, in der

Ueberfluß, Liebe, Gluͤck und Dank, eine Sehnſucht in
mir nach jenem einſamen Elend?

Es iſt keine Frage: ich bin ein Narr!

Aber Schkramprl hat wohl Recht, daß er ſich
nicht fixiren, daß er umherlaufen will, ſo lange ſeine
langen Beine ihn tragen.

Man iſt nicht umſonſt Vagabund geweſen.“


„Heute hat es ein Aergerniß mit meinem Herrn
Foͤrſter gegeben und das hat mir gut gethan: es hat
mich aus dem Reich meiner haltloſen Traͤume zur
unangenehmen Wirklichkeit herabgezwungen. Zum
Erſtenmale, ſeitdem ich im Beſitz ſtehe, hab’ ich den
Herrn gezeigt. Der Menſch iſt entlaſſen und da ſeine
Vernachlaͤſſigungen, vielleicht Betruͤgereien, auch nicht
einen Tag fortdauern duͤrfen, ſchon des Beiſpiels
wegen, ſo hab’ ich ihm ſein Quartal auszahlen und
die Amtswohnung heute noch raͤumen laſſen. Seinen
Dienſt werd’ ich, bis ein Anderer eintritt, ſelbſt ver-
ſehen. Vielleicht gefaͤllt mir die winterliche Abend-
ſtille in unſeren Raͤumen beſſer, wenn ich ſie mir durch
einen Tag im tiefen Schnee des Waldes errungen
habe. Vielleicht hoͤren meine Gedanken auf, in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0189" n="185"/>
Ueberfluß, Liebe, Glu&#x0364;ck und Dank, eine Sehn&#x017F;ucht in<lb/>
mir nach jenem ein&#x017F;amen Elend?</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t keine Frage: ich bin ein Narr!</p><lb/>
          <p>Aber Schkramprl hat wohl Recht, daß er &#x017F;ich<lb/>
nicht fixiren, daß er umherlaufen will, &#x017F;o lange &#x017F;eine<lb/>
langen Beine ihn tragen.</p><lb/>
          <p>Man i&#x017F;t nicht um&#x017F;on&#x017F;t Vagabund gewe&#x017F;en.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div type="diaryEntry">
          <dateline> <hi rendition="#et">Vom 18. Januar.</hi> </dateline><lb/>
          <p>&#x201E;Heute hat es ein Aergerniß mit meinem Herrn<lb/>
Fo&#x0364;r&#x017F;ter gegeben und das hat mir gut gethan: es hat<lb/>
mich aus dem Reich meiner haltlo&#x017F;en Tra&#x0364;ume zur<lb/>
unangenehmen Wirklichkeit herabgezwungen. Zum<lb/>
Er&#x017F;tenmale, &#x017F;eitdem ich im Be&#x017F;itz &#x017F;tehe, hab&#x2019; ich den<lb/>
Herrn gezeigt. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t entla&#x017F;&#x017F;en und da &#x017F;eine<lb/>
Vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igungen, vielleicht Betru&#x0364;gereien, auch nicht<lb/>
einen Tag fortdauern du&#x0364;rfen, &#x017F;chon des Bei&#x017F;piels<lb/>
wegen, &#x017F;o hab&#x2019; ich ihm &#x017F;ein Quartal auszahlen und<lb/>
die Amtswohnung heute noch ra&#x0364;umen la&#x017F;&#x017F;en. Seinen<lb/>
Dien&#x017F;t werd&#x2019; ich, bis ein Anderer eintritt, &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;ehen. Vielleicht gefa&#x0364;llt mir die winterliche Abend-<lb/>
&#x017F;tille in un&#x017F;eren Ra&#x0364;umen be&#x017F;&#x017F;er, wenn ich &#x017F;ie mir durch<lb/>
einen Tag im tiefen Schnee des Waldes errungen<lb/>
habe. Vielleicht ho&#x0364;ren meine Gedanken auf, in der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0189] Ueberfluß, Liebe, Gluͤck und Dank, eine Sehnſucht in mir nach jenem einſamen Elend? Es iſt keine Frage: ich bin ein Narr! Aber Schkramprl hat wohl Recht, daß er ſich nicht fixiren, daß er umherlaufen will, ſo lange ſeine langen Beine ihn tragen. Man iſt nicht umſonſt Vagabund geweſen.“ Vom 18. Januar. „Heute hat es ein Aergerniß mit meinem Herrn Foͤrſter gegeben und das hat mir gut gethan: es hat mich aus dem Reich meiner haltloſen Traͤume zur unangenehmen Wirklichkeit herabgezwungen. Zum Erſtenmale, ſeitdem ich im Beſitz ſtehe, hab’ ich den Herrn gezeigt. Der Menſch iſt entlaſſen und da ſeine Vernachlaͤſſigungen, vielleicht Betruͤgereien, auch nicht einen Tag fortdauern duͤrfen, ſchon des Beiſpiels wegen, ſo hab’ ich ihm ſein Quartal auszahlen und die Amtswohnung heute noch raͤumen laſſen. Seinen Dienſt werd’ ich, bis ein Anderer eintritt, ſelbſt ver- ſehen. Vielleicht gefaͤllt mir die winterliche Abend- ſtille in unſeren Raͤumen beſſer, wenn ich ſie mir durch einen Tag im tiefen Schnee des Waldes errungen habe. Vielleicht hoͤren meine Gedanken auf, in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/189
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/189>, abgerufen am 21.11.2024.