Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.Mehr als die vorhergehenden Eigenschaften brachte Der junge Mann, dessen Bekanntschaft ich in Mehr als die vorhergehenden Eigenſchaften brachte Der junge Mann, deſſen Bekanntſchaft ich in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="15"/> Mehr als die vorhergehenden Eigenſchaften brachte<lb/> die letzte mich <hi rendition="#aq">en vogue.</hi> Es gab einen foͤrmlichen<lb/> Wettſtreit unter den Maͤnnern von Ton, jungen wie<lb/> alten, wer zuerſt und zumeiſt erproben ſolle, wie weit<lb/> meine Frechheit reiche. Mitten in dieſe Nacht und<lb/> Finſterniß eines verworfenen Daſeins fiel ein Strahl<lb/> des Lichtes und der Liebe; ein Engel, der Mitleid<lb/> und Erbarmen gefuͤhlt, weil ſo viel Schoͤnheit und<lb/> Geiſt — (das klingt Jhnen ſehr anmaßend, nicht<lb/> wahr? dennoch hab’ ich ein Recht, es zu ſagen); —<lb/> im Koth untergehen ſolle, fuͤhrte mir ein Herz ent-<lb/> gegen: ein Herz! Das Einzige, was mir noch Nie-<lb/> mand geſchenkt, niemand nur gezeigt hatte. Rohe,<lb/> ſelbſtſuͤchtige Begierde hatte mir Gold uͤber Gold<lb/> geboten, welches ich verachtete, nahm, verſchwendete,<lb/> um verachtet zu werden. Hier forderte beſcheidene<lb/> Liebe ein Herz fuͤr das ihre, — und mit Schauder<lb/> mußte ich entdecken, daß ich des Tauſches unwuͤr-<lb/> dig ſei.</p><lb/> <p>Der junge Mann, deſſen Bekanntſchaft ich in<lb/> einer belgiſchen Stadt machte, war von Geburt und<lb/> Bildung ein Deutſcher, nach ſeiner Eltern Tode von<lb/> einer hier verheiratheten, kinderloſen Tante aufgenom-<lb/> men worden und ſtand im Begriff, ſeine Studien als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0019]
Mehr als die vorhergehenden Eigenſchaften brachte
die letzte mich en vogue. Es gab einen foͤrmlichen
Wettſtreit unter den Maͤnnern von Ton, jungen wie
alten, wer zuerſt und zumeiſt erproben ſolle, wie weit
meine Frechheit reiche. Mitten in dieſe Nacht und
Finſterniß eines verworfenen Daſeins fiel ein Strahl
des Lichtes und der Liebe; ein Engel, der Mitleid
und Erbarmen gefuͤhlt, weil ſo viel Schoͤnheit und
Geiſt — (das klingt Jhnen ſehr anmaßend, nicht
wahr? dennoch hab’ ich ein Recht, es zu ſagen); —
im Koth untergehen ſolle, fuͤhrte mir ein Herz ent-
gegen: ein Herz! Das Einzige, was mir noch Nie-
mand geſchenkt, niemand nur gezeigt hatte. Rohe,
ſelbſtſuͤchtige Begierde hatte mir Gold uͤber Gold
geboten, welches ich verachtete, nahm, verſchwendete,
um verachtet zu werden. Hier forderte beſcheidene
Liebe ein Herz fuͤr das ihre, — und mit Schauder
mußte ich entdecken, daß ich des Tauſches unwuͤr-
dig ſei.
Der junge Mann, deſſen Bekanntſchaft ich in
einer belgiſchen Stadt machte, war von Geburt und
Bildung ein Deutſcher, nach ſeiner Eltern Tode von
einer hier verheiratheten, kinderloſen Tante aufgenom-
men worden und ſtand im Begriff, ſeine Studien als
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