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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Obwohl wir mit ungemeiner Schnelligkeit empor-
flogen, regte sich doch in mir nicht eine Spur von
Besorgniß; je höher wir drangen, desto wohler fühlt'
ich mich und in diesem Gefühle übersah ich, daß Rein-
hard unruhig, ja ängstlich wurde. Endlich aber konnte
mir, trotz meiner übermüthigen Stimmung, nicht
länger entgehen, wie er sich vergebens bemühte, das
Ventil, welches hoch oben am Ballon angebracht ist,
zu öffnen. Auf meine Frage, wozu, erklärte er mir,
der Ballon sei zu stark gefüllt, es habe ein Versehen
stattgefunden und nun könne er die Klappe, durch
welche der Ueberfluß an Gas ausströmen solle, nicht
öffnen, weil die Schnüre sich verwickelt hätten. Was
kann uns geschehen? fragt' ich, ohne mit der Stimme
zu beben.

"Wir fliegen immer höher," spracher, und indem
er sich zu trübseligem Lächeln zwang, fuhr er fort:
"möglicherweise gelangen wir in die Sonne!" Laß'
uns im Monde bleiben, rief ich ihm zu, der Mond ist
der Stern der Liebe -- doch kaum hatt' ich diese
Worte gesprochen, als auch schon unser Flug gehemmt
schien und wir, zuerst langsam, dann immer schneller,
sanken. Jch sah Reinhard forschend an. Er wies

Obwohl wir mit ungemeiner Schnelligkeit empor-
flogen, regte ſich doch in mir nicht eine Spur von
Beſorgniß; je hoͤher wir drangen, deſto wohler fuͤhlt’
ich mich und in dieſem Gefuͤhle uͤberſah ich, daß Rein-
hard unruhig, ja aͤngſtlich wurde. Endlich aber konnte
mir, trotz meiner uͤbermuͤthigen Stimmung, nicht
laͤnger entgehen, wie er ſich vergebens bemuͤhte, das
Ventil, welches hoch oben am Ballon angebracht iſt,
zu oͤffnen. Auf meine Frage, wozu, erklaͤrte er mir,
der Ballon ſei zu ſtark gefuͤllt, es habe ein Verſehen
ſtattgefunden und nun koͤnne er die Klappe, durch
welche der Ueberfluß an Gas ausſtroͤmen ſolle, nicht
oͤffnen, weil die Schnuͤre ſich verwickelt haͤtten. Was
kann uns geſchehen? fragt’ ich, ohne mit der Stimme
zu beben.

„Wir fliegen immer hoͤher,“ ſpracher, und indem
er ſich zu truͤbſeligem Laͤcheln zwang, fuhr er fort:
„moͤglicherweiſe gelangen wir in die Sonne!“ Laß’
uns im Monde bleiben, rief ich ihm zu, der Mond iſt
der Stern der Liebe — doch kaum hatt’ ich dieſe
Worte geſprochen, als auch ſchon unſer Flug gehemmt
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ſanken. Jch ſah Reinhard forſchend an. Er wies

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[22/0026] Obwohl wir mit ungemeiner Schnelligkeit empor- flogen, regte ſich doch in mir nicht eine Spur von Beſorgniß; je hoͤher wir drangen, deſto wohler fuͤhlt’ ich mich und in dieſem Gefuͤhle uͤberſah ich, daß Rein- hard unruhig, ja aͤngſtlich wurde. Endlich aber konnte mir, trotz meiner uͤbermuͤthigen Stimmung, nicht laͤnger entgehen, wie er ſich vergebens bemuͤhte, das Ventil, welches hoch oben am Ballon angebracht iſt, zu oͤffnen. Auf meine Frage, wozu, erklaͤrte er mir, der Ballon ſei zu ſtark gefuͤllt, es habe ein Verſehen ſtattgefunden und nun koͤnne er die Klappe, durch welche der Ueberfluß an Gas ausſtroͤmen ſolle, nicht oͤffnen, weil die Schnuͤre ſich verwickelt haͤtten. Was kann uns geſchehen? fragt’ ich, ohne mit der Stimme zu beben. „Wir fliegen immer hoͤher,“ ſpracher, und indem er ſich zu truͤbſeligem Laͤcheln zwang, fuhr er fort: „moͤglicherweiſe gelangen wir in die Sonne!“ Laß’ uns im Monde bleiben, rief ich ihm zu, der Mond iſt der Stern der Liebe — doch kaum hatt’ ich dieſe Worte geſprochen, als auch ſchon unſer Flug gehemmt ſchien und wir, zuerſt langſam, dann immer ſchneller, ſanken. Jch ſah Reinhard forſchend an. Er wies

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/26>, abgerufen am 21.11.2024.