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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Kein Schwärmer ist es, der die Flöte liebt
Und auf ihr nur "des Sommers letzte Rose",
Kein Tanzgenie, das ewig Stunden gibt,
Auch kein klavierverrückter Virtuose:
Ein armer Schuster nur, der nächtens flickt,
Wenn längst aufs Dach herab die Sterne scheinen,
Indeß sein Weib daneben sitzt und strickt
Und seine Kinderchen vor Hunger weinen!
O Gott, wie oft nicht schon hat dieser Laut
Mich mitten aus dem tiefsten Schlaf gerüttelt!
Und wenn ich halbwach dann mich umgeschaut,
Hat wild es wie ein Fieber mich geschüttelt.
Des Mädchens Schluchzen und des Knaben Schrei
Und ganz zuletzt des Säuglings leises Wimmern --
Mir war's, als hörte ich dann nebenbei
Drei kleine, kleine schwarze Bettlein zimmern.
Mir war's, als rollte dumpf dann vor das Haus
Der nur zu wohlbekannte Armenwagen
Und jene Bettlein trugen sie hinaus
Und luden sie in seinen düstern Schragen.
Der Kutscher aber nahm noch einen Schluck
Und peitschte fluchend seine magren Schinder
Und übers Pflaster dann ging's Ruck auf Ruck,
Doch ach, noch immer wimmerten die Kinder!
Kein Schwärmer iſt es, der die Flöte liebt
Und auf ihr nur „des Sommers letzte Roſe“,
Kein Tanzgenie, das ewig Stunden gibt,
Auch kein klavierverrückter Virtuoſe:
Ein armer Schuſter nur, der nächtens flickt,
Wenn längſt aufs Dach herab die Sterne ſcheinen,
Indeß ſein Weib daneben ſitzt und ſtrickt
Und ſeine Kinderchen vor Hunger weinen!
O Gott, wie oft nicht ſchon hat dieſer Laut
Mich mitten aus dem tiefſten Schlaf gerüttelt!
Und wenn ich halbwach dann mich umgeſchaut,
Hat wild es wie ein Fieber mich geſchüttelt.
Des Mädchens Schluchzen und des Knaben Schrei
Und ganz zuletzt des Säuglings leiſes Wimmern —
Mir war's, als hörte ich dann nebenbei
Drei kleine, kleine ſchwarze Bettlein zimmern.
Mir war's, als rollte dumpf dann vor das Haus
Der nur zu wohlbekannte Armenwagen
Und jene Bettlein trugen ſie hinaus
Und luden ſie in ſeinen düſtern Schragen.
Der Kutſcher aber nahm noch einen Schluck
Und peitſchte fluchend ſeine magren Schinder
Und übers Pflaſter dann ging's Ruck auf Ruck,
Doch ach, noch immer wimmerten die Kinder!
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[86/0108] Kein Schwärmer iſt es, der die Flöte liebt Und auf ihr nur „des Sommers letzte Roſe“, Kein Tanzgenie, das ewig Stunden gibt, Auch kein klavierverrückter Virtuoſe: Ein armer Schuſter nur, der nächtens flickt, Wenn längſt aufs Dach herab die Sterne ſcheinen, Indeß ſein Weib daneben ſitzt und ſtrickt Und ſeine Kinderchen vor Hunger weinen! O Gott, wie oft nicht ſchon hat dieſer Laut Mich mitten aus dem tiefſten Schlaf gerüttelt! Und wenn ich halbwach dann mich umgeſchaut, Hat wild es wie ein Fieber mich geſchüttelt. Des Mädchens Schluchzen und des Knaben Schrei Und ganz zuletzt des Säuglings leiſes Wimmern — Mir war's, als hörte ich dann nebenbei Drei kleine, kleine ſchwarze Bettlein zimmern. Mir war's, als rollte dumpf dann vor das Haus Der nur zu wohlbekannte Armenwagen Und jene Bettlein trugen ſie hinaus Und luden ſie in ſeinen düſtern Schragen. Der Kutſcher aber nahm noch einen Schluck Und peitſchte fluchend ſeine magren Schinder Und übers Pflaſter dann ging's Ruck auf Ruck, Doch ach, noch immer wimmerten die Kinder!

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/108>, abgerufen am 21.11.2024.