Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Ferndraußen schwebte durch die Lüfte Der erste Sonntag im April, Durchs Zimmer flog's wie Veilchendüfte Und heimlich war's und kirchenstill. Vom Thurm nur läuteten die Gocken Den Winter in sein Wittwerbett, Und frühverwehte Blüthenflocken Warf mir der Lenz aufs Fensterbrett. Ich aber saß und las sie wieder -- O Gott, mir war das Herz so schwer! Ich las die alten goldnen Lieder: Das Heimweh und die Nacht am Meer. Im Mondschein schritt ich weltvergessen Hinunter und hinauf den Strand, Und sacht umrauschten die Cypressen Das Inselmeer von Griechenland. Des Südens Sterne sah ich scheinen,
Doch fühlt ich nicht des Südens Lust, Der Liebe langverhaltnes Weinen Rang schluchzend sich aus meiner Brust. Als müßt' es wonnig sich verbluten, Vor Sehnsucht ward das Herz mir weit, Und durch mein Sinnen ließ ich fluthen Das Heimweh nach der Ewigkeit. Ferndraußen ſchwebte durch die Lüfte Der erſte Sonntag im April, Durchs Zimmer flog's wie Veilchendüfte Und heimlich war's und kirchenſtill. Vom Thurm nur läuteten die Gocken Den Winter in ſein Wittwerbett, Und frühverwehte Blüthenflocken Warf mir der Lenz aufs Fenſterbrett. Ich aber ſaß und las ſie wieder — O Gott, mir war das Herz ſo ſchwer! Ich las die alten goldnen Lieder: Das Heimweh und die Nacht am Meer. Im Mondſchein ſchritt ich weltvergeſſen Hinunter und hinauf den Strand, Und ſacht umrauſchten die Cypreſſen Das Inſelmeer von Griechenland. Des Südens Sterne ſah ich ſcheinen,
Doch fühlt ich nicht des Südens Luſt, Der Liebe langverhaltnes Weinen Rang ſchluchzend ſich aus meiner Bruſt. Als müßt' es wonnig ſich verbluten, Vor Sehnſucht ward das Herz mir weit, Und durch mein Sinnen ließ ich fluthen Das Heimweh nach der Ewigkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0126" n="104"/> <lg n="9"> <l>Ferndraußen ſchwebte durch die Lüfte</l><lb/> <l>Der erſte Sonntag im April,</l><lb/> <l>Durchs Zimmer flog's wie Veilchendüfte</l><lb/> <l>Und heimlich war's und kirchenſtill.</l><lb/> <l>Vom Thurm nur läuteten die Gocken</l><lb/> <l>Den Winter in ſein Wittwerbett,</l><lb/> <l>Und frühverwehte Blüthenflocken</l><lb/> <l>Warf mir der Lenz aufs Fenſterbrett.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Ich aber ſaß und las ſie wieder —</l><lb/> <l>O Gott, mir war das Herz ſo ſchwer!</l><lb/> <l>Ich las die alten goldnen Lieder:</l><lb/> <l>Das Heimweh und die Nacht am Meer.</l><lb/> <l>Im Mondſchein ſchritt ich weltvergeſſen</l><lb/> <l>Hinunter und hinauf den Strand,</l><lb/> <l>Und ſacht umrauſchten die Cypreſſen</l><lb/> <l>Das Inſelmeer von Griechenland.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Des Südens Sterne ſah ich ſcheinen,</l><lb/> <l>Doch fühlt ich nicht des Südens Luſt,</l><lb/> <l>Der Liebe langverhaltnes Weinen</l><lb/> <l>Rang ſchluchzend ſich aus meiner Bruſt.</l><lb/> <l>Als müßt' es wonnig ſich verbluten,</l><lb/> <l>Vor Sehnſucht ward das Herz mir weit,</l><lb/> <l>Und durch mein Sinnen ließ ich fluthen</l><lb/> <l>Das Heimweh nach der Ewigkeit.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0126]
Ferndraußen ſchwebte durch die Lüfte
Der erſte Sonntag im April,
Durchs Zimmer flog's wie Veilchendüfte
Und heimlich war's und kirchenſtill.
Vom Thurm nur läuteten die Gocken
Den Winter in ſein Wittwerbett,
Und frühverwehte Blüthenflocken
Warf mir der Lenz aufs Fenſterbrett.
Ich aber ſaß und las ſie wieder —
O Gott, mir war das Herz ſo ſchwer!
Ich las die alten goldnen Lieder:
Das Heimweh und die Nacht am Meer.
Im Mondſchein ſchritt ich weltvergeſſen
Hinunter und hinauf den Strand,
Und ſacht umrauſchten die Cypreſſen
Das Inſelmeer von Griechenland.
Des Südens Sterne ſah ich ſcheinen,
Doch fühlt ich nicht des Südens Luſt,
Der Liebe langverhaltnes Weinen
Rang ſchluchzend ſich aus meiner Bruſt.
Als müßt' es wonnig ſich verbluten,
Vor Sehnſucht ward das Herz mir weit,
Und durch mein Sinnen ließ ich fluthen
Das Heimweh nach der Ewigkeit.
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