Und wieder dacht ich dann begeistert Des Sängers, der dies Lied einst sang, Der eine Welt mit ihm bemeistert Und Zeit und Raum mit ihm bezwang. Saß er jetzt auch in sich versunken, Ein Liederbuch auf seinen Knien, Und lauschte lenz- und wohllautstrunken Dem Glockenspiel von St. Marien?
Er, der Brundhilde, die Walkyre, Aus Island rief an unsern Rhein ... Da horch, ein Klopfen an der Thüre Und laut erschallte mein Herein! Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer Mein Freund, der mir die Rechte bot; Schon seines Auges feuchter Schimmer Sprach, eh's sein Mund sprach: Er ist todt!
Er starb, noch eh die Morgenröthe, Eh sich die Nacht ins Auge sahn; Mit Uhland, Schiller und mit Goethe Wallt nun auch Geibel seine Bahn. Die Stirn vom Lorbeer sanft umfächelt, Mit seinem Herrn ist er vereint; Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt, Die ewge Liebe aber weint. --
Und wieder dacht ich dann begeiſtert Des Sängers, der dies Lied einſt ſang, Der eine Welt mit ihm bemeiſtert Und Zeit und Raum mit ihm bezwang. Saß er jetzt auch in ſich verſunken, Ein Liederbuch auf ſeinen Knien, Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken Dem Glockenſpiel von St. Marien?
Er, der Brundhilde, die Walkyre, Aus Island rief an unſern Rhein ... Da horch, ein Klopfen an der Thüre Und laut erſchallte mein Herein! Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer Mein Freund, der mir die Rechte bot; Schon ſeines Auges feuchter Schimmer Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt!
Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe, Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn; Mit Uhland, Schiller und mit Goethe Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn. Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt, Mit ſeinem Herrn iſt er vereint; Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt, Die ewge Liebe aber weint. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0127"n="105"/><lgn="12"><l>Und wieder dacht ich dann begeiſtert</l><lb/><l>Des Sängers, der dies Lied einſt ſang,</l><lb/><l>Der eine Welt mit ihm bemeiſtert</l><lb/><l>Und Zeit und Raum mit ihm bezwang.</l><lb/><l>Saß er jetzt auch in ſich verſunken,</l><lb/><l>Ein Liederbuch auf ſeinen Knien,</l><lb/><l>Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken</l><lb/><l>Dem Glockenſpiel von St. Marien?</l><lb/></lg><lgn="13"><l>Er, der Brundhilde, die Walkyre,</l><lb/><l>Aus Island rief an unſern Rhein ...</l><lb/><l>Da horch, ein Klopfen an der Thüre</l><lb/><l>Und laut erſchallte mein Herein!</l><lb/><l>Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer</l><lb/><l>Mein Freund, der mir die Rechte bot;</l><lb/><l>Schon ſeines Auges feuchter Schimmer</l><lb/><l>Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt!</l><lb/></lg><lgn="14"><l>Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe,</l><lb/><l>Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn;</l><lb/><l>Mit Uhland, Schiller und mit Goethe</l><lb/><l>Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn.</l><lb/><l>Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt,</l><lb/><l>Mit ſeinem Herrn iſt er vereint;</l><lb/><l>Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt,</l><lb/><l>Die ewge Liebe aber weint. —</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[105/0127]
Und wieder dacht ich dann begeiſtert
Des Sängers, der dies Lied einſt ſang,
Der eine Welt mit ihm bemeiſtert
Und Zeit und Raum mit ihm bezwang.
Saß er jetzt auch in ſich verſunken,
Ein Liederbuch auf ſeinen Knien,
Und lauſchte lenz- und wohllautstrunken
Dem Glockenſpiel von St. Marien?
Er, der Brundhilde, die Walkyre,
Aus Island rief an unſern Rhein ...
Da horch, ein Klopfen an der Thüre
Und laut erſchallte mein Herein!
Und eilvoll trat zu mir ins Zimmer
Mein Freund, der mir die Rechte bot;
Schon ſeines Auges feuchter Schimmer
Sprach, eh's ſein Mund ſprach: Er iſt todt!
Er ſtarb, noch eh die Morgenröthe,
Eh ſich die Nacht ins Auge ſahn;
Mit Uhland, Schiller und mit Goethe
Wallt nun auch Geibel ſeine Bahn.
Die Stirn vom Lorbeer ſanft umfächelt,
Mit ſeinem Herrn iſt er vereint;
Sein bleiches Antlitz liegt und lächelt,
Die ewge Liebe aber weint. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/127>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.