Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Bis du nun endlich -- mit 20 Jahren! -- Eine Reimfabrik etablirt Und selbstzufrieden mit goldnen Lettern Ueber die Thür gemalt: "Weltverbesserungsoffizin!" Natürlich brüllte die ganze Gesellschaft Dann dreimal: "Hurrah!", Der "Chor der Verdammten" erging sich johlend In den polizeiwidrigsten Verbalinjurien Und Beelzebub gar Biß sich vor Lachen in seinen Schwanz! Ich aber dachte an Karl Moor Und sprach mit Schiller, deinem Collegen: "Dem Mann kann geholfen werden!" Denn seit man auf Erden hier Neben die Kirchen, Kasernen und Zellengefängnisse Auch Irr'nhäuser, Sparkassen und Volksküchen baut, Folg ich der Mode und mache in Mitleid! Und so sitz ich denn nun Hier in deinem Museo Und predige also: Mensch!
Kind dieses "aufgeklärten" Jahrhunderts, Bist du denn wirklich naiv genug Bis du nun endlich — mit 20 Jahren! — Eine Reimfabrik etablirt Und ſelbſtzufrieden mit goldnen Lettern Ueber die Thür gemalt: „Weltverbeſſerungsoffizin!“ Natürlich brüllte die ganze Geſellſchaft Dann dreimal: „Hurrah!“, Der „Chor der Verdammten“ erging ſich johlend In den polizeiwidrigſten Verbalinjurien Und Beelzebub gar Biß ſich vor Lachen in ſeinen Schwanz! Ich aber dachte an Karl Moor Und ſprach mit Schiller, deinem Collegen: „Dem Mann kann geholfen werden!“ Denn ſeit man auf Erden hier Neben die Kirchen, Kaſernen und Zellengefängniſſe Auch Irr'nhäuſer, Sparkaſſen und Volksküchen baut, Folg ich der Mode und mache in Mitleid! Und ſo ſitz ich denn nun Hier in deinem Muſeo Und predige alſo: Menſch!
Kind dieſes „aufgeklärten“ Jahrhunderts, Biſt du denn wirklich naiv genug <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0312" n="290"/> <lg n="63"> <l>Bis du nun endlich — mit 20 Jahren! —</l><lb/> <l>Eine Reimfabrik etablirt</l><lb/> <l>Und ſelbſtzufrieden mit goldnen Lettern</l><lb/> <l>Ueber die Thür gemalt:</l><lb/> <l>„Weltverbeſſerungsoffizin!“</l><lb/> <l>Natürlich brüllte die ganze Geſellſchaft</l><lb/> <l>Dann dreimal: „Hurrah!“,</l><lb/> <l>Der „Chor der Verdammten“ erging ſich johlend</l><lb/> <l>In den polizeiwidrigſten Verbalinjurien</l><lb/> <l>Und Beelzebub gar</l><lb/> <l>Biß ſich vor Lachen in ſeinen Schwanz!</l><lb/> <l>Ich aber dachte an Karl Moor</l><lb/> <l>Und ſprach mit Schiller, deinem Collegen:</l><lb/> <l>„Dem Mann kann geholfen werden!“</l><lb/> <l>Denn ſeit man auf Erden hier</l><lb/> <l>Neben die Kirchen,</l><lb/> <l>Kaſernen und Zellengefängniſſe</l><lb/> <l>Auch Irr'nhäuſer,</l><lb/> <l>Sparkaſſen und Volksküchen baut,</l><lb/> <l>Folg ich der Mode und mache in Mitleid!</l><lb/> <l>Und ſo ſitz ich denn nun</l><lb/> <l>Hier in deinem Muſeo</l><lb/> <l>Und predige alſo:</l><lb/> </lg> <lg n="64"> <l>Menſch!</l><lb/> <l>Kind dieſes „aufgeklärten“ Jahrhunderts,</l><lb/> <l>Biſt du denn wirklich naiv genug</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [290/0312]
Bis du nun endlich — mit 20 Jahren! —
Eine Reimfabrik etablirt
Und ſelbſtzufrieden mit goldnen Lettern
Ueber die Thür gemalt:
„Weltverbeſſerungsoffizin!“
Natürlich brüllte die ganze Geſellſchaft
Dann dreimal: „Hurrah!“,
Der „Chor der Verdammten“ erging ſich johlend
In den polizeiwidrigſten Verbalinjurien
Und Beelzebub gar
Biß ſich vor Lachen in ſeinen Schwanz!
Ich aber dachte an Karl Moor
Und ſprach mit Schiller, deinem Collegen:
„Dem Mann kann geholfen werden!“
Denn ſeit man auf Erden hier
Neben die Kirchen,
Kaſernen und Zellengefängniſſe
Auch Irr'nhäuſer,
Sparkaſſen und Volksküchen baut,
Folg ich der Mode und mache in Mitleid!
Und ſo ſitz ich denn nun
Hier in deinem Muſeo
Und predige alſo:
Menſch!
Kind dieſes „aufgeklärten“ Jahrhunderts,
Biſt du denn wirklich naiv genug
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