Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Hat immer nur hündisch Ihrem Bändiger die Hand geleckt Und kothbespritzt Sich behaglich ihrer Verdauung gefreut, Indeß die großen, herrlichen Dulder -- Ihre Wohlthäter! -- Weltverlassen am Kreuz verblutet, Oder im Kerker elend verschmachtet! Denk an Christus, denk an Columbus! Auch ich war einst jung,
Auch mir ging der Kopf oft Schwärmerisch mit dem Herzen durch; Und wenn ich dann singend und lustberauscht Durch den Frühlingsgarten der Schöpfung gewandelt, Dann hab ich beseligt geglaubt wie du An die goldene Zeit und den ewigen Frieden, An das verheißene Eldorado! Doch der Schleier zerriß Und unter dem Lenzgrün der sündigen Erde, Neben die Schuppenthiere der Urwelt Grauenvoll hingelagert, Sah ich die höhnisch grinsenden Schädel Ganzer Geschlechter, Die vor mir gelebt und gelitten wie ich, Würmerdurchkrochen! Und über die Gräber Hat immer nur hündiſch Ihrem Bändiger die Hand geleckt Und kothbeſpritzt Sich behaglich ihrer Verdauung gefreut, Indeß die großen, herrlichen Dulder — Ihre Wohlthäter! — Weltverlaſſen am Kreuz verblutet, Oder im Kerker elend verſchmachtet! Denk an Chriſtus, denk an Columbus! Auch ich war einſt jung,
Auch mir ging der Kopf oft Schwärmeriſch mit dem Herzen durch; Und wenn ich dann ſingend und luſtberauſcht Durch den Frühlingsgarten der Schöpfung gewandelt, Dann hab ich beſeligt geglaubt wie du An die goldene Zeit und den ewigen Frieden, An das verheißene Eldorado! Doch der Schleier zerriß Und unter dem Lenzgrün der ſündigen Erde, Neben die Schuppenthiere der Urwelt Grauenvoll hingelagert, Sah ich die höhniſch grinſenden Schädel Ganzer Geſchlechter, Die vor mir gelebt und gelitten wie ich, Würmerdurchkrochen! Und über die Gräber <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0314" n="292"/> <lg n="68"> <l>Hat immer nur hündiſch</l><lb/> <l>Ihrem <hi rendition="#g">Bändiger</hi> die Hand geleckt</l><lb/> <l>Und kothbeſpritzt</l><lb/> <l>Sich behaglich ihrer Verdauung gefreut,</l><lb/> <l>Indeß die großen, herrlichen Dulder</l><lb/> <l>— Ihre Wohlthäter! —</l><lb/> <l>Weltverlaſſen am Kreuz verblutet,</l><lb/> <l>Oder im Kerker elend verſchmachtet!</l><lb/> <l>Denk an Chriſtus, denk an Columbus!</l><lb/> </lg> <lg n="69"> <l>Auch ich war einſt jung,</l><lb/> <l>Auch mir ging der Kopf oft</l><lb/> <l>Schwärmeriſch mit dem Herzen durch;</l><lb/> <l>Und wenn ich dann ſingend und luſtberauſcht</l><lb/> <l>Durch den Frühlingsgarten der Schöpfung gewandelt,</l><lb/> <l>Dann hab ich beſeligt geglaubt wie <hi rendition="#g">du</hi></l><lb/> <l>An die goldene Zeit und den ewigen Frieden,</l><lb/> <l>An das verheißene Eldorado!</l><lb/> <l>Doch der Schleier zerriß</l><lb/> <l>Und unter dem Lenzgrün der ſündigen Erde,</l><lb/> <l>Neben die Schuppenthiere der Urwelt</l><lb/> <l>Grauenvoll hingelagert,</l><lb/> <l>Sah ich die höhniſch grinſenden Schädel</l><lb/> <l>Ganzer Geſchlechter,</l><lb/> <l>Die vor mir gelebt und gelitten wie ich,</l><lb/> <l>Würmerdurchkrochen!</l><lb/> <l>Und <hi rendition="#g">über</hi> die Gräber</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [292/0314]
Hat immer nur hündiſch
Ihrem Bändiger die Hand geleckt
Und kothbeſpritzt
Sich behaglich ihrer Verdauung gefreut,
Indeß die großen, herrlichen Dulder
— Ihre Wohlthäter! —
Weltverlaſſen am Kreuz verblutet,
Oder im Kerker elend verſchmachtet!
Denk an Chriſtus, denk an Columbus!
Auch ich war einſt jung,
Auch mir ging der Kopf oft
Schwärmeriſch mit dem Herzen durch;
Und wenn ich dann ſingend und luſtberauſcht
Durch den Frühlingsgarten der Schöpfung gewandelt,
Dann hab ich beſeligt geglaubt wie du
An die goldene Zeit und den ewigen Frieden,
An das verheißene Eldorado!
Doch der Schleier zerriß
Und unter dem Lenzgrün der ſündigen Erde,
Neben die Schuppenthiere der Urwelt
Grauenvoll hingelagert,
Sah ich die höhniſch grinſenden Schädel
Ganzer Geſchlechter,
Die vor mir gelebt und gelitten wie ich,
Würmerdurchkrochen!
Und über die Gräber
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