Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Wälzte sich wüst
Durch den lachenden Sonnenschein
Ein gräßlicher Pestknäul
Von Noth und Sünde,
Gold und Blut,
Schlangenumzischt!
Und die liebliche Freundin meiner Seele,
"Die edle Trösterin, Treiberin Hoffnung,"
Weinte sterbend
Ihre letzten Thränen!
Und so stand ich denn nun,
Zweifelnd, verzweifelt,
Auf diesem wüsten,
Entsetzlichen Trümmerball,
An dem einst ein Gott
Sieben Tage
Sieben lange, verlorene Tage
Nutzlos herumgemodelt,
Und lauschte begierig den weisen Sprüchen
Der alten indischen Evangelisten.
Und sie raunten mir zu:
"Was lebst du noch, Thor?
Tauch dich hinab,
Tief hinab
In das selige Urnichts!
Millionen Sonnen
Wälzte ſich wüſt
Durch den lachenden Sonnenſchein
Ein gräßlicher Peſtknäul
Von Noth und Sünde,
Gold und Blut,
Schlangenumziſcht!
Und die liebliche Freundin meiner Seele,
„Die edle Tröſterin, Treiberin Hoffnung,“
Weinte ſterbend
Ihre letzten Thränen!
Und ſo ſtand ich denn nun,
Zweifelnd, verzweifelt,
Auf dieſem wüſten,
Entſetzlichen Trümmerball,
An dem einſt ein Gott
Sieben Tage
Sieben lange, verlorene Tage
Nutzlos herumgemodelt,
Und lauſchte begierig den weiſen Sprüchen
Der alten indiſchen Evangeliſten.
Und ſie raunten mir zu:
„Was lebſt du noch, Thor?
Tauch dich hinab,
Tief hinab
In das ſelige Urnichts!
Millionen Sonnen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0315" n="293"/>
          <lg n="70">
            <l>Wälzte &#x017F;ich wü&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Durch den lachenden Sonnen&#x017F;chein</l><lb/>
            <l>Ein gräßlicher Pe&#x017F;tknäul</l><lb/>
            <l>Von Noth und Sünde,</l><lb/>
            <l>Gold und Blut,</l><lb/>
            <l>Schlangenumzi&#x017F;cht!</l><lb/>
            <l>Und die liebliche Freundin meiner Seele,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die edle Trö&#x017F;terin, Treiberin Hoffnung,&#x201C;</l><lb/>
            <l>Weinte &#x017F;terbend</l><lb/>
            <l>Ihre letzten Thränen!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="71">
            <l>Und &#x017F;o &#x017F;tand ich denn nun,</l><lb/>
            <l>Zweifelnd, verzweifelt,</l><lb/>
            <l>Auf die&#x017F;em wü&#x017F;ten,</l><lb/>
            <l>Ent&#x017F;etzlichen Trümmerball,</l><lb/>
            <l>An dem ein&#x017F;t ein Gott</l><lb/>
            <l>Sieben Tage</l><lb/>
            <l>Sieben lange, verlorene Tage</l><lb/>
            <l>Nutzlos herumgemodelt,</l><lb/>
            <l>Und lau&#x017F;chte begierig den wei&#x017F;en Sprüchen</l><lb/>
            <l>Der alten indi&#x017F;chen Evangeli&#x017F;ten.</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie raunten mir zu:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Was leb&#x017F;t du noch, Thor?</l><lb/>
            <l>Tauch dich hinab,</l><lb/>
            <l>Tief hinab</l><lb/>
            <l>In das &#x017F;elige Urnichts!</l><lb/>
            <l>Millionen Sonnen</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0315] Wälzte ſich wüſt Durch den lachenden Sonnenſchein Ein gräßlicher Peſtknäul Von Noth und Sünde, Gold und Blut, Schlangenumziſcht! Und die liebliche Freundin meiner Seele, „Die edle Tröſterin, Treiberin Hoffnung,“ Weinte ſterbend Ihre letzten Thränen! Und ſo ſtand ich denn nun, Zweifelnd, verzweifelt, Auf dieſem wüſten, Entſetzlichen Trümmerball, An dem einſt ein Gott Sieben Tage Sieben lange, verlorene Tage Nutzlos herumgemodelt, Und lauſchte begierig den weiſen Sprüchen Der alten indiſchen Evangeliſten. Und ſie raunten mir zu: „Was lebſt du noch, Thor? Tauch dich hinab, Tief hinab In das ſelige Urnichts! Millionen Sonnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/315
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/315>, abgerufen am 31.10.2024.