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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Du aber streichst dir, tief in Gedanken,
Schon martialisch den Schnurrbart in spe
Und regierst die Feder, als wär sie ein Wurfspeer,
Und rufst wie Hutten: "Ich hab's gewagt!"
Laß doch, mein Freundchen; laß doch, wozu denn?
Wozu denn dich opfern, opfern für nichts?
Wozu denn verhungern wie Doktor Tanner?
Macht heut bei Licht besehn keinen Effekt mehr!
Die goldne Zeit des heilgen Antonius
Ist gottlob vorüber!
Wärst du noch Jungfer, ich proponirte dir:
"Geh in ein Kloster!"
So aber rath ich dir dringend und ernsthaft:
"Werde Professor in Königsberg
Und schreibe die Memoiren Odhins --
Selbstverständlich in Stabreimprosa!
Pump dir das Schreibrohr
Des Herrn Mirza von Schaffy
Und schlage das Tamtam und predige Weisheit!
Kauf dir ein Landgut und handle mit Possen,
Meinethalb auch mit alten Hosen!
Und wenn dir das Geld fehlt,
Kauf dir den Toussaint und übersetze
Englische Gouvernantenromane!
Thu, was du willst!
Gieß dir ins Wasserglas Cognac hinein
Und verkünde befrackt "popolär" vom Katheder,
Wie der erste Mensch und der letzte Papu
Du aber ſtreichſt dir, tief in Gedanken,
Schon martialiſch den Schnurrbart in spe
Und regierſt die Feder, als wär ſie ein Wurfſpeer,
Und rufſt wie Hutten: „Ich hab's gewagt!“
Laß doch, mein Freundchen; laß doch, wozu denn?
Wozu denn dich opfern, opfern für nichts?
Wozu denn verhungern wie Doktor Tanner?
Macht heut bei Licht beſehn keinen Effekt mehr!
Die goldne Zeit des heilgen Antonius
Iſt gottlob vorüber!
Wärſt du noch Jungfer, ich proponirte dir:
„Geh in ein Kloſter!“
So aber rath ich dir dringend und ernſthaft:
„Werde Profeſſor in Königsberg
Und ſchreibe die Memoiren Odhins —
Selbſtverſtändlich in Stabreimproſa!
Pump dir das Schreibrohr
Des Herrn Mirza von Schaffy
Und ſchlage das Tamtam und predige Weisheit!
Kauf dir ein Landgut und handle mit Poſſen,
Meinethalb auch mit alten Hoſen!
Und wenn dir das Geld fehlt,
Kauf dir den Touſſaint und überſetze
Engliſche Gouvernantenromane!
Thu, was du willſt!
Gieß dir ins Waſſerglas Cognac hinein
Und verkünde befrackt „popolär“ vom Katheder,
Wie der erſte Menſch und der letzte Papu
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[300/0322] Du aber ſtreichſt dir, tief in Gedanken, Schon martialiſch den Schnurrbart in spe Und regierſt die Feder, als wär ſie ein Wurfſpeer, Und rufſt wie Hutten: „Ich hab's gewagt!“ Laß doch, mein Freundchen; laß doch, wozu denn? Wozu denn dich opfern, opfern für nichts? Wozu denn verhungern wie Doktor Tanner? Macht heut bei Licht beſehn keinen Effekt mehr! Die goldne Zeit des heilgen Antonius Iſt gottlob vorüber! Wärſt du noch Jungfer, ich proponirte dir: „Geh in ein Kloſter!“ So aber rath ich dir dringend und ernſthaft: „Werde Profeſſor in Königsberg Und ſchreibe die Memoiren Odhins — Selbſtverſtändlich in Stabreimproſa! Pump dir das Schreibrohr Des Herrn Mirza von Schaffy Und ſchlage das Tamtam und predige Weisheit! Kauf dir ein Landgut und handle mit Poſſen, Meinethalb auch mit alten Hoſen! Und wenn dir das Geld fehlt, Kauf dir den Touſſaint und überſetze Engliſche Gouvernantenromane! Thu, was du willſt! Gieß dir ins Waſſerglas Cognac hinein Und verkünde befrackt „popolär“ vom Katheder, Wie der erſte Menſch und der letzte Papu

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/322>, abgerufen am 24.11.2024.