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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Drei Frühlingstage später karrten
Ihn Armenklepper vor das Thor!
Ich sah's noch, wie sie ihn verscharrten --
Die Sonne lachte, doch mich fror!
Mich fror und meine Hände suchten
Umsonst zu würgen meinen Schmerz
Und meine bleichen Lippen fluchten ...
O Gott, mein Herz! mein armes Herz!
So stand ich und vermaledeite
Die Welt bis in ihr Nichts hinab;
Der goldne Frühling aber schneite
Ihm lächelnd Rosen übers Grab.
Schon nahten unsichtbaren Zuges
Die großen Geister alter Zeit,
Und drüber schwebte leisen Fluges
Der Genius der Unsterblichkeit!

Drei Frühlingstage ſpäter karrten
Ihn Armenklepper vor das Thor!
Ich ſah's noch, wie ſie ihn verſcharrten —
Die Sonne lachte, doch mich fror!
Mich fror und meine Hände ſuchten
Umſonſt zu würgen meinen Schmerz
Und meine bleichen Lippen fluchten ...
O Gott, mein Herz! mein armes Herz!
So ſtand ich und vermaledeite
Die Welt bis in ihr Nichts hinab;
Der goldne Frühling aber ſchneite
Ihm lächelnd Roſen übers Grab.
Schon nahten unſichtbaren Zuges
Die großen Geiſter alter Zeit,
Und drüber ſchwebte leiſen Fluges
Der Genius der Unſterblichkeit!

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[419/0441] Drei Frühlingstage ſpäter karrten Ihn Armenklepper vor das Thor! Ich ſah's noch, wie ſie ihn verſcharrten — Die Sonne lachte, doch mich fror! Mich fror und meine Hände ſuchten Umſonſt zu würgen meinen Schmerz Und meine bleichen Lippen fluchten ... O Gott, mein Herz! mein armes Herz! So ſtand ich und vermaledeite Die Welt bis in ihr Nichts hinab; Der goldne Frühling aber ſchneite Ihm lächelnd Roſen übers Grab. Schon nahten unſichtbaren Zuges Die großen Geiſter alter Zeit, Und drüber ſchwebte leiſen Fluges Der Genius der Unſterblichkeit!

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/441>, abgerufen am 22.11.2024.