Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Ein Stümpfchen Talglicht giebt nur trüben Schein, Doch horch, es klopft, was mag das nur bedeuten? Es klopft und durch die Thür tritt nun herein Ein junger Herr, geführt von Nachbarsleuten. Der Armenhilfsarzt ist's aus dem Revier, Den sie geholt aus Mitleid mit der Kranken, Indeß ihr Mann bei Branntwein oder Bier Sich selbst betäubt und seine Wuthgedanken. Der junge Doctor aber nimmt das Licht Und tritt mit ihm ans Bett des armen Weibes, Doch gelb wie Wachs und spitz ist ihr Gesicht Und kalt und starr die Glieder ihres Leibes. Da schluchzt sein Herz, indeß das Licht verkohlt, Von nie gekannter Wehmuth überschlichen: Weint, Kinder, weint! ich bin zu spät geholt, Denn eure Mutter ist bereits -- verblichen! Ein Stümpfchen Talglicht giebt nur trüben Schein, Doch horch, es klopft, was mag das nur bedeuten? Es klopft und durch die Thür tritt nun herein Ein junger Herr, geführt von Nachbarsleuten. Der Armenhilfsarzt iſt's aus dem Revier, Den ſie geholt aus Mitleid mit der Kranken, Indeß ihr Mann bei Branntwein oder Bier Sich ſelbſt betäubt und ſeine Wuthgedanken. Der junge Doctor aber nimmt das Licht Und tritt mit ihm ans Bett des armen Weibes, Doch gelb wie Wachs und ſpitz iſt ihr Geſicht Und kalt und ſtarr die Glieder ihres Leibes. Da ſchluchzt ſein Herz, indeß das Licht verkohlt, Von nie gekannter Wehmuth überſchlichen: Weint, Kinder, weint! ich bin zu ſpät geholt, Denn eure Mutter iſt bereits — verblichen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0046" n="24"/> <lg n="3"> <l>Ein Stümpfchen Talglicht giebt nur trüben Schein,</l><lb/> <l>Doch horch, es klopft, was mag das nur bedeuten?</l><lb/> <l>Es klopft und durch die Thür tritt nun herein</l><lb/> <l>Ein junger Herr, geführt von Nachbarsleuten.</l><lb/> <l>Der Armenhilfsarzt iſt's aus dem Revier,</l><lb/> <l>Den ſie geholt aus Mitleid mit der Kranken,</l><lb/> <l>Indeß ihr Mann bei Branntwein oder Bier</l><lb/> <l>Sich ſelbſt betäubt und ſeine Wuthgedanken.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Der junge Doctor aber nimmt das Licht</l><lb/> <l>Und tritt mit ihm ans Bett des armen Weibes,</l><lb/> <l>Doch gelb wie Wachs und ſpitz iſt ihr Geſicht</l><lb/> <l>Und kalt und ſtarr die Glieder ihres Leibes.</l><lb/> <l>Da ſchluchzt ſein Herz, indeß das Licht verkohlt,</l><lb/> <l>Von nie gekannter Wehmuth überſchlichen:</l><lb/> <l>Weint, Kinder, weint! ich bin zu ſpät geholt,</l><lb/> <l>Denn eure Mutter iſt bereits — verblichen!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [24/0046]
Ein Stümpfchen Talglicht giebt nur trüben Schein,
Doch horch, es klopft, was mag das nur bedeuten?
Es klopft und durch die Thür tritt nun herein
Ein junger Herr, geführt von Nachbarsleuten.
Der Armenhilfsarzt iſt's aus dem Revier,
Den ſie geholt aus Mitleid mit der Kranken,
Indeß ihr Mann bei Branntwein oder Bier
Sich ſelbſt betäubt und ſeine Wuthgedanken.
Der junge Doctor aber nimmt das Licht
Und tritt mit ihm ans Bett des armen Weibes,
Doch gelb wie Wachs und ſpitz iſt ihr Geſicht
Und kalt und ſtarr die Glieder ihres Leibes.
Da ſchluchzt ſein Herz, indeß das Licht verkohlt,
Von nie gekannter Wehmuth überſchlichen:
Weint, Kinder, weint! ich bin zu ſpät geholt,
Denn eure Mutter iſt bereits — verblichen!
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