Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Frühling. 1. Wohl haben sie dich alle schon besungen Und singen dich noch immer an, o Lenz, Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen, Meld ich mich auch zur großen Concurrenz. Doch fürcht ich fast, ich bin dir zu prosaisch, Aus meinen Versen sprüht kein Fünkchen Geist; Und denk ich gar an deinen Dichter Kleist, Klingt meine Sprache mir fast wie Havaisch. Kein Veilchenduft versetzt mich in Extase
Denn ach, ich bin ein Epigone nur; Nie trank ich Wein aus einem Wasserglase Und nüchtern bin ich bis zur Unnatur. Der Tonfall meiner lyrischen Collegen Ist mir ein unverstandner Dialect, Denn meinen Reim hat die Kultur beleckt Und meine Muse wallt auf andern Wegen. Frühling. 1. Wohl haben ſie dich alle ſchon beſungen Und ſingen dich noch immer an, o Lenz, Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen, Meld ich mich auch zur großen Concurrenz. Doch fürcht ich faſt, ich bin dir zu proſaiſch, Aus meinen Verſen ſprüht kein Fünkchen Geiſt; Und denk ich gar an deinen Dichter Kleiſt, Klingt meine Sprache mir faſt wie Havaïſch. Kein Veilchenduft verſetzt mich in Extaſe
Denn ach, ich bin ein Epigone nur; Nie trank ich Wein aus einem Waſſerglaſe Und nüchtern bin ich bis zur Unnatur. Der Tonfall meiner lyriſchen Collegen Iſt mir ein unverſtandner Dialect, Denn meinen Reim hat die Kultur beleckt Und meine Muſe wallt auf andern Wegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0049" n="27"/> <div n="2"> <head>Frühling.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head>1.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ohl haben ſie dich alle ſchon beſungen</l><lb/> <l>Und ſingen dich noch immer an, o Lenz,</l><lb/> <l>Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,</l><lb/> <l>Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.</l><lb/> <l>Doch fürcht ich faſt, ich bin dir zu proſaiſch,</l><lb/> <l>Aus meinen Verſen ſprüht kein Fünkchen Geiſt;</l><lb/> <l>Und denk ich gar an deinen Dichter Kleiſt,</l><lb/> <l>Klingt meine Sprache mir faſt wie Havaïſch.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Kein Veilchenduft verſetzt mich in Extaſe</l><lb/> <l>Denn ach, ich bin ein Epigone nur;</l><lb/> <l>Nie trank ich Wein aus einem Waſſerglaſe</l><lb/> <l>Und nüchtern bin ich bis zur Unnatur.</l><lb/> <l>Der Tonfall meiner lyriſchen Collegen</l><lb/> <l>Iſt mir ein unverſtandner Dialect,</l><lb/> <l>Denn meinen Reim hat die Kultur beleckt</l><lb/> <l>Und meine Muſe wallt auf andern Wegen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0049]
Frühling.
1.
Wohl haben ſie dich alle ſchon beſungen
Und ſingen dich noch immer an, o Lenz,
Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,
Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.
Doch fürcht ich faſt, ich bin dir zu proſaiſch,
Aus meinen Verſen ſprüht kein Fünkchen Geiſt;
Und denk ich gar an deinen Dichter Kleiſt,
Klingt meine Sprache mir faſt wie Havaïſch.
Kein Veilchenduft verſetzt mich in Extaſe
Denn ach, ich bin ein Epigone nur;
Nie trank ich Wein aus einem Waſſerglaſe
Und nüchtern bin ich bis zur Unnatur.
Der Tonfall meiner lyriſchen Collegen
Iſt mir ein unverſtandner Dialect,
Denn meinen Reim hat die Kultur beleckt
Und meine Muſe wallt auf andern Wegen.
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